Man darf keine Minute mehr hierbleiben. Über die Grenze, über die Grenze! Und das aus einem Land, in das du einst
zitternd strebtest: Über die Grenze, über die Grenze.

Diese Zeilen datierte Gerschon Schoffmann mit dem 14. März 1941. Sie erzählen aus seiner Biografie – einer, die gepflastert war von Flucht, dem steten Gefühl der Fremde in der jeweiligen Lebensabschnittsheimat und vom Ausgeliefertsein eines keimenden Antisemitismus.
Der Grazer Literaturverlag Droschl hat mit „Nicht für immer“ erstmals Erzählungen jenes Mannes auf Deutsch veröffentlicht, der viele Jahre auch in der Steiermark lebte, genauer gesagt in Wetzelsdorf, damals noch Vorort von Graz. Schoffmann wurde in das russische Kaiserreich hineingeboren, desertierte mit 24 Jahren nach Galizien und 1913 weiter nach Wien. 25 Jahre lebte der vielfach ausgezeichnete Dichter in Österreich, viele davon mit Frau und Kindern in der Steiermark. 1938 flüchtete die Familie vor Hitler und emigrierte nach Palästina. In Israel prägte er Generationen von Autoren. Seine Zeitungsartikel oder Notizen haben Eingang in Schulbücher gefunden.

Eine Entdeckung

Hierzulande ist er ein Unbekannter geblieben.  Die Länder, Herrscher, Anfeindungen und Kriegsgegner in seiner Biografie haben variiert, seine Sprache aber kannte unverrückbar nur eine Heimat: das Hebräische. Seine Texte erzählen – vielfach in der ersten Person – von Alltagssituationen: dem Verlorensein in der Metropole Wien, in nostalgisch verklärten Kindheitserinnerungen. Vor allem aber beleuchten sie scharfsinnig, wenn auch in subtil sanfte Sprache gekleidet, den aufkeimenden Antisemitismus in der heimischen Provinz.
Von Hakenkreuzfahnen, die morgens plötzlich im Wind flatterten, Physiognomikwahn der Nazis, verfeindeten jüdischen und katholischen Kindergärten, einer Entsolidarisierung unter Nachbarn, kurz: von einer brutalen, unberechenbaren Zeit vor dem Ausbruch des Krieges.


Im Stil von Peter Altenberg, den Schoffmann kannte und verehrte, sind seine Extrakte voller einprägsamer Schönheit. Bei aller Poesie verflüchtigen sich diese Skizzen nie. Im Gegenteil – sie bohren sich in die gelernte Kriegsgeschichte. Im vollen Bewusstsein der Gegenwart.