Nach vier Monaten in Haft wegen Terrorvorwürfen wird die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan nach eigenen Angaben "den Schatten des Gefängnisses" nicht mehr los, will aber dennoch nicht schweigen. "Natürlich habe ich Angst, der Albtraum könnte jederzeit erneut beginnen", sagte die heuer mit dem Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis ausgezeichnete Autorin im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Die Angst vor dem Gefängnis werde "fortan ein Teil" ihres Lebens sein, sagte Asli Erdogan. Ihr Gerichtsverfahren werde sie aber weiter kritisieren: "Ich muss der ganzen Welt erzählen, wie unfair und kafkaesk dieser Prozess ist."
Die 49-Jährige war Ende Dezember nach internationalen Protesten aus der Haft entlassen worden. Sie bleibt aber wegen ihrer Artikel für die inzwischen geschlossene kurdische Zeitung "Özgür Gündem" der "Terrorpropaganda" angeklagt. Ihre nächste Anhörung wurde für den 14. März angesetzt.
Erdogan droht lebenslange Haft, der Gang ins Exil kommt für sie aber nicht in Frage. "Ich denke das Exil ist ein anderes Gefängnis. Ich würde wirklich nicht im Exil leben wollen, egal unter welchen Bedingungen, in egal welchem Land", sagte sie. Als Schriftstellerin müsse sie in der Türkei bleiben, um den Kontakt zur Sprache nicht zu verlieren, sagte die Autorin des Romans "Die Stadt mit der roten Pelerine".
"Ich habe immer gesagt, dass die echte Gefahr in der Türkei nicht die Scharia, sondern ein totalitäres Regime ist. Ich fürchte, meine Vorhersage ist leider dabei, Wirklichkeit zu werden", sagte sie und warnte vor den Plänen von Präsident Recep Tayyip Erdogan zur Einführung eines Präsidialsystems. "Wir werden zehn oder 20 Jahre unter einem Junta-Regime leben."
Das Gefängnis verglich sie mit einem "kalten Brunnen" mit wenig Licht. "Stell dir einen Ort vor, in dem du keine zwei Minuten verbringen willst. So etwas wie eine sehr dreckige Toilette in einer Bar. Kaum bist du drin, ekelst du dich", beschrieb die zierliche Frau mit den blauen Augen ihre viermonatige Haftzeit, während der sie sich mit Büchern und Sudoku abzulenken versuchte.
Erdogan nannte es "sehr kurzsichtig", dass viele türkische Intellektuelle zu ihrer Inhaftierung geschwiegen hätten und nicht einmal eine Petition zu ihrer Unterstützung unterzeichnen wollten. "Ich bin nur eine literarische Autorin, ich stehe nicht an der Frontlinie der kurdischen Sache", sagte Erdogan. "Wenn mich dieses System ins Gefängnis bringt, kann es jeden Schriftsteller treffen."
Erdogan war wegen dreier Artikel in "Özgür Gündem" zur Situation im mehrheitlich kurdischen Südosten vorgeworfen worden, Propaganda für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu betreiben. Neben Erdogan wurden auch die prominente Linguistin Necmiye Alpay und zahlreiche weitere Mitarbeiter von "Özgür Gündem" in Haft genommen.
Die Schriftstellerin sagte, sie wolle ihre Erfahrung im Gefängnis nicht literarisch verarbeiten, doch werde sie sich zwangsläufig in ihren Büchern niederschlagen. Ein neues Buch wolle sie aber nicht beginnen, solange sie fürchten müsse, wieder inhaftiert zu werden.