Sein größtes Geschenk hat Wolf Biermann sich wohl selbst gemacht. Wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag am Dienstag erschien seine Autobiografie "Warte nicht auf bessre Zeiten!" - und katapultierte den Liedermacher und einstigen DDR-Kritiker wieder ins Rampenlicht. Kein Sender, keine Zeitung, kaum eine Talkrunde, die an dieser sehr persönlich gefärbten Lebensgeschichte vorbeikam.
Nun also der runde Geburtstag, der praktisch mit dem 40. Jahrestag seiner Ausbürgerung aus der DDR zusammenfiel. Der unerwartete Widerstand prominenter DDR-Künstler wie Christa Wolf, Stephan Hermlin und Heiner Müller gegen die Verbannung des populären Barden läutete damals den Anfang vom Ende der DDR ein. Biermann wurde zu der historischen Figur, die er heute ist.
Kurz zuvor hatte der wortmächtige Poet sein legendäres Kölner Konzert gegeben. Nach elfjährigem Berufsverbot war ihm von den SED-Oberen überraschend erlaubt worden, am 13. November 1976, dem Geburtstag seines schmerzlich vermissten Vaters, für die Metaller-Gewerkschaft in der Sporthalle Köln aufzutreten.
Viereinhalb Stunden stand er da vor ausverkauftem Haus und gab seine ruppigen Spottlieder zum Besten. "Dabei ahnte ich natürlich nicht, dass ich auch den ganzen Abend nur brav 'Hänschen klein, ging allein' hätte singen können", notiert er in seinen Memoiren. "Die (drei Tage später erfolgte, Anm.) Ausbürgerung war ja längst beschlossen."
25 Jahre im Arbeiter- und Bauernstaat hatte er zu diesem Zeitpunkt hinter sich. Sein Vater, ein kommunistischer Jude, war von den Nazis im KZ Auschwitz ermordet worden. Die Mutter Emma schickte ihren Sohn mit 16 aus der Heimatstadt Hamburg in die DDR, um dort die kommunistischen Ideen seines Vaters umzusetzen.
Nach unverhohlener Begeisterung zu Beginn eckte er mit seinen subversiv-poetischen Liedern zunehmend bei den Machthabern an, ehe er 1965 ganz verboten wurde. "Du, lass dich nicht verhärten/In dieser harten Zeit/Die all zu hart sind, brechen/Die all zu spitz sind, stechen/Und brechen ab sogleich", schrieb er 1968 in seinem berühmten Lied "Ermutigung".
Im eigenen Land durfte er keine Zeile mehr veröffentlichen, doch im Westen wurden seine Songs so populär, dass sie - heimlich kopiert - massenhaft auch in der DDR kursierten. Vor allem sein Album "Chausseestraße 131", benannt nach der Adresse seiner verwanzten Wohnung nahe dem Ost-West-Bahnhof Friedrichstraße, wurde Kult.
Die Ausbürgerung traf ihn wie ein Schlag. Es dauerte nach eigenem Bekenntnis Jahre, bis er sich im Westen akklimatisierte. Inzwischen glühender Kommunistenhasser, kehrte er in seine Heimatstadt Hamburg zurück, ging mit neuen Songs auf Tournee und mischte sich immer wieder in die deutsch-deutsche Tagespolitik ein.
Schlagzeilen gab es nochmals, als er 2014 zum 25. Jahr des Mauerfalls in den Bundestag eingeladen war. In der Gedenkstunde nannte er sich selbst einen "Drachentöter" und bezeichnete die Abgeordneten der Linkspartei als "Drachenbrut" - "der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde". Hier können Sie die denkwürdigen Minuten nachsehen:
Auch Biermanns Memoiren jetzt stießen nicht auf ungeteilte Begeisterung. Der Titel müsste eigentlich "Ich Ich Ich!!!" heißen, schrieb die "Süddeutsche Zeitung" und warf ihm "Rachsucht des Rechthabers" vor. Die Wochenzeitung "Die Zeit" befand dagegen: "Diese mehr als 500 Seiten sind so außerordentlich wie der Mann, der sie schrieb."
Zum 80. Geburtstag erscheint unter dem Titel "...paar eckige Runden drehn!" eine neue CD, auf der Biermann bekannte Gitarrensongs mit dem Jazz seiner Freunde vom ZentralQuartett zusammenbringt.
Besonderer Gast ist seine Frau Pamela, die nach zahllosen "Frauengeschichten" seit mehr 30 Jahren halbwegs Ordnung in sein Leben bringt. Am 18. und am 20. November wird die CD bei Geburtstagskonzerten in Berlin und Hamburg vorgestellt. Sicher sind zumindest auch einige seiner insgesamt zehn Kinder dabei.