Herman van Veen singt, dichtet und spielt Geige wie eh und je. Auf Tournee ist er auch gerade (Österreich-termin: Bregenz am 9. 2. 2017). Dabei ist der Niederländer 71 und damit in einem Alter, in dem andere die Füße hochlegen und ihre Memoiren schreiben. Zumindest letzteres hat er getan. Eine Autobiografie gab es schon vorher, nun ist sein neues Buch "Erinnerte Tage" auf Deutsch erschienen.
Herman van Veen blickt darin zurück auf sein Leben, zitiert aus vielen Lieddtexten und aus vielen Briefen, aus seinen an die Enkel oder aus solchen an ihn, von Künstlerfreunden zum Beispiel und auch aus einem von Altbundeskanzler Willy Brandt. Der sah in ihm, was das Thema Friedenspolitik angeht, einen Verbündeten und Gleichgesinnten.
Liliputaner & Blasmusiker
Herman van Veen erzählt vom Urlaub mit den Eltern an der Nordsee, als die Kinder die Mutter so tief im Sand eingraben, dass sie sie hinterher nicht wiederfinden. Oder von seinen Erlebnissen, als er das erste Mal von zu Hause wegläuft: zum Kirmesplatz seiner Heimatstadt Utrecht, wo für ihn nicht die Liliputaner und die Ringkämpfer die Hauptattraktion sind, sondern die Blasmusiker, darunter der Pferdemetzger mit rotangelaufenem Kopf hinter seinem Sousaphon.
Musik bleibt seine Leidenschaft und wird seine Berufung, nachdem er schon als Kind Geige spielen lernt und später am Konservatorium in Utrecht studiert. Schon bald danach tritt er nicht nur in Amsterdam auf, sondern von Paris und London über New York fast überall auf der Welt. In Deutschland ist er besonders erfolgreich. Dass er auch das Bundesverdienstkreuz bekommen hat, ist da nur eine Randnotiz.
Für das niederländische Publikum
Zwei Schönheitsfehler hat das Buch: In den Niederlanden ist es schon im vergangenen Jahr erschienen, passend zum 70. Geburtstag des Multitaltents. Und es richtet sich in erster Linie auch an ein Publikum aus unserem Nachbarland. Viele Namen, die dort geläufig sind, sind es in Deutschland nicht. Das erschwert das Lesen manchmal. Herman van Veen kann man das kaum vorwerfen.
Und was ihn als Künstler auszeichnet, scheint auch in seinen Erinnerungen immer wieder durch: Er wird oft persönlich, immer wieder nachdenklich, manchmal ein bisschen melancholisch. Egal ob mit 17 oder mit 71, der sympathische niederländische Musiker, Komponist, Sänger und Poet hat sich die Fähigkeit zum Staunen bewahrt. Ganz am Anfang zitiert er einen Brief an seine Enkeltochter Lia. Er schreibt ihr vom Start einer Rakete, von dem er in der Zeitung gelesen hat: Sie soll einen Satelliten zu einem fernen Planeten bringen und wird 70 Jahre unterwegs sein. "Dann ist es zweitausendvierundachtzig, und Du bist genauso alt, wie ich jetzt bin. Komisch. Tschüss Lia, bis ganz bald."
Herman van Veen: "Erinnerte Tage", Knaur, München, 320 Seiten, 20,60 Euro