Gleich am Haken hingen samstags die Juroren beim Text des zweiten Lesers am Vormittag, der zufälligerweise den Namen (Leander) Fischer trägt: Die Geschichte des 27-jährigen Oberösterreichers rund um die Themenkomplexe Fliegenfischen und Musik erntete durchwegs Lob. Michael Wiederstein hat „Lust aufs Fliegenfischen bekommen“, Stefan Gmünder bewunderte, „wie phantastisch sich dieser Text fast wie eine Partitur entwickelt“. Klaus Kastberger meinte zur Geschichte des von Hubert Winkels eingeladenen Autors: „Es gibt für jede Forelle die eine Fliege.“ Es gibt wohl auch für jeden Beobachter des Lesewettbewerbes den einen Text, der alle anderen übertrumpft.
Doch heuer dürfte es die Jury schwer haben, zwingt doch ein starker Jahrgang zur Auswahl. Keine leichte Aufgabe zwischen Tropenhitze draußen und Scheinwerferglut drinnen, was auch der Jurorin Nora Gomringer zu schaffen machte, die mit Kreislaufproblemen kurzfristig pausieren musste.
Neu ist das Procedere zur Erstellung der Shortlist: Jeder Juror vergibt Sonntagfrüh zwischen ein und fünf Punkte an seine fünf Favoriten. Die sieben Autoren mit den meisten Punkten kommen in die Abstimmung um die Preise, nachzulesen ist die Punktevergabe im Internet.
Geangelt nach Zustimmung haben gestern auch der Wiener Lukas Meschik mit seinem Text „Mein Vater ist ein Baum“ über das Leben und Sterben seines Kärntner Vaters und der Deutsche Martin Beyer, der als Letzter in die Arena trat und eine emotionale Diskussion auslöste. So wie bei der Jesidin Ronya Othmann am Freitag ging es auch bei ihm um abgeschlagene Köpfe und das Grauen des Mordens. Hier mit einem Henkersknecht der Nazis und Kriegsheimkehrer, der in dieser fiktiven Geschichte an der Hinrichtung der Geschwister Scholl beteiligt war. An der Einbindung der historischen Figuren schieden sich die Geister. Darf man so über das Grauen schreiben? Winkels verneint empört, und auch Kastberger ist abgestoßen: „Der Plauderton des Textes macht ihn so unerträglich! Dieser Text beraubt die drei Mitglieder der Weißen Rose ihrer Intimität.“
Es war der turbulente Abschluss eines Tages, der mit der Lesung der Wiener Performancekünstlerin und Tänzerin Ines Birkhan begonnen hatte. Auch hier verblüffte die mehrfach konstatierte Regie des Zufalls, handelte Birkhans Text doch so wie die erste (hochgelobte) Lesung am Donnerstag von Katharina Schultens von „Urmündern“ (Gewebetierchen). In Birkhans „schräger Arielle-Version“ wuchert, wuselt und schwebt alles in einer Art Ursuppe, die durch ein Tattoo-Studio evoziert wird. „Was ist die Relevanz dieses Textes?“, fragte sich Insa Wilke. Bei der Preisverleihung heute kann man das vielleicht erfahren.
Preisverleihung (live auf Kleine-Zeitung-App/www.kleinezeitung.at) heute ab 11 Uhr im Klagenfurter ORF-Theater. 3sat überträgt live.
bachmannpreis.orf.at
Karin Waldner-Petutschnig