Noch nie wurde in den 20 Jahren, in denen es nun schon eine Klagenfurter Rede zur Literatur gibt, bei den Diskussionen der Jury so oft auf die Eröffnungsrede Bezug genommen wie heuer bei Clemens J. Setz. Der Grazer Autor hat am Beispiel des Show-Kampfsportes Wrestling über Menschen gesprochen, die nur noch in ihren Rollen leben. Wie das Geschichten-Erzählen mit dem persönlichen Leben verknüpft ist, wird wohl jeder Autor gefragt: Was ist autobiografisch?
Rollenbild
Das Verschwimmen von Persönlichkeit und Rollenbild, das Schaffen einer „story line“ wurde schon am ersten Lesetag bei Katharina Schultens mit Hinweis auf die Setz-Rede konstatiert. Und Sarah Wipauer streute laut Juror Gmünder wie von Setz angeregt „ein wenig Mond“ in ihre Geschichte.
Eingeschrieben
Am zweiten Lesetag waren es gleich drei Texte, in denen sich die Literaten selbst einschrieben: Der reale Autorenname von Yannic Han Biao Federer kommt im hochgelobten Beitrag des Deutschen rund um Trennung und Neuanfang vor - „scripted reality wie bei Setz“ befand Hubert Winkels. Und auch der letzte Leser des Tages, der wegen seiner gefälschten Interviews skandalumwitterte Schweizer Tom Kummer, brachte sich in seinen Text im Stil eines Noir-Road-Trips ein. Die „finstere Fahrt durch die Seele mit surrealen Elementen“ (Hildegard Keller) wirkte für Klaus Kastberger „retrohaft“ wie „Werbeästhetik der 1990er- Jahre. Auch hier geht es um Verlust und Trauer, allerdings im Stil von Raymond Chandler (Hubert Winkels) oder dem Film „Taxi Driver“ (Michael Wiederstein).
Sprachlos über das Unsagbare
Eine Diskussion über die Erzählbarkeit des Unsagbaren stieß Ronya Othmanns „Familienreportage“ (Hildegard Keller) über den Genozid an den Jesiden durch den IS an. Auch hier ist die Autorin im Text präsent: „Ich bin sprachlos, finde keine Worte.“ Ein Text, der Michael Wiederstein demütig machte, Nora Gomringer „befangen“.
Zwei Preisverdächtige gab es auch wieder: Daniel Heitzlers Geschichte rund um die Rivalität zweier Mexikaner lobten alle bis auf Klaus Kastberger, der „nicht am Feiern teilnehmen“ wollte. Der Text der Salzburgerin Birgit Birnbacher erhielt nicht nur Anerkennung für den „schönsten letzten Satz des Tages“, sondern auch für die „ Mikrokosmosstudie“ über den Zynismus der Arbeitswelt.
„Ich werde zu oft zitiert“, twitterte Clemens J. Setz am Nachmittag halbernst. „Ich werde zum Running Gag der Veranstaltung“, sagte der 36-Jährige, darauf angesprochen, im ORF-Cafe, schmunzelnd.
Karin Waldner-Petutschnig