Wohlfühloasen hat die französische Schriftstellerin Annie Ernaux nie betreten, aber mit "Die leeren Schränke", im Original 1974 erschienen, hat diese gnadenlose Ethnologin ihrer selbst ein erschütterndes Debüt hingelegt, das ob seiner unbarmherzigen Aufrichtigkeit geradezu körperliche Schmerzen bereitet. Ja, dieses Buch ist eine grandiose literarische Zumutung. Freilich, im Vergleich zu dem, was die junge Studentin im Roman – der wie alle Bücher von Ernaux autobiografisch gelesen werden muss – erleidet, ist das Leiden des Lesenden ein zimperliches Jammern.