Eine Opernaufführung hat drei Zeitebenen. Die Zeit der Opernhandlung (im Fall von Strauss’ „Salome“ also das 1. Jahrhundert), die Entstehungszeit der Komposition (also 1905) und die Zeit der Aufführung (2023). Dazu kommt noch eventuell die Zeit, in der die Regie die Handlung platziert (seit dem „Regietheater“ nicht mehr notwendigerweise ident mit der Zeit der Handlung). Im Fall der „Salome“ an der Wiener Volksoper gibt es noch eine weitere Ebene. Die Inszenierung des 2015 verstorbenen Luc Bondy, die sich im kargen, düsteren Bühnenbild Erich Wonders auf die Figuren fokussiert, war ein zentraler Baustein von Neu-Salzburg, 1992, als  Gerard Mortier dort die Festspielleitung übernommen hatte. Die damalige Traumbesetzung (Catherine Malfitano/Bryn Terfel /Hanna Schwarz/Kenneth Riegel) ist übrigens zum Glück auf CD konserviert.