Es geht um das Böse. In uns und um uns.“ Von der russischen Aggression in der Ukraine bis zum allzu willigen Gehorsam der Vergangenheit sieht herbst-Intendantin Ekaterina Degot das Böse verortet: Das mit 21. September beginnende Festival reagiert darauf heuer, wie berichtet, mit der Programm-Parole „Humans and Demons“ – und der Erkundung moralischer Grauzonen. Details dazu wurden am Dienstag präsentiert. Herzstück des Festivals ist einmal mehr ein Ausstellungsparcours, diesmal an vier Grazer Orten. Künstlerpersönlichkeiten wie Zuleikha Chaudhari, Dani Gal, Anton Kats, Vadim Fishkin, Dana Kavelina, Meg Stuart befassen sich – in 40 gutteils beauftragen Arbeiten – mit vier signifikanten Biografien im Graz-Kontext und den sie umgebenden Ambivalenzen und Konflikten.
"Demon Radio" und "Submarine Frieda"
So geht es bei „Demon Radio“ in Mariagrün um Nazi-Mitläufer und Rundfunklegende „Dr. Jazz“ Dietrich Schulz-Köhn, im Forum Stadtpark um den Physiker und Perpetuum mobile-Fantasten Stefan Marinov, in der „Church of Ruined Moderity“ im Minoritenkloster um einen Graz-Aufenthalt der brasilianischen Künstlerin Mira Schendel. Und in „Submarine Frieda“ auf dem Griesplatz um ein pazifistisches Täuschungsmanöver angesichts einstiger NS-Bedrohung.
Rund um diesen Parcours gruppiert sich, aus Performanceschwerpunkt, assoziierten Festivals und Partnerprojekten, ein Festivalprogramm, das performativ bereits mit der Eröffnung in die Vollen geht: Beim Uhrturm auf dem Grazer Schlossberg wird ein fragwürdiges Kriegerdenkmal aus den Dreißigerjahren nicht nur zum Hintergrund von Ekaterina Degots Eröffnungsrede – sondern auch einer Opernperformance, in der Lulu Obermayer Heldenrollen hinterfragt. Auf dem Mariahilferplatz schlüpft Michael Portnoy im Anschluss in die Rolle eines neu installierten Grazer „Direktors für Verhaltensweisen“ und gibt Direktiven für ein gedeihliches Zusammenleben; abends folgt in der List-Halle ein Tanzprojekt der ungarischen Choreografin Adrienn Hód zum Thema Gehorsam.
Nicht nur das Eröffnungswochenende steht – noch mit Projekten etwa von Giacomo Veronesi oder Mateja Bu(c)ar – ganz im Zeichen der Performance. Der Schwerpunkt ragt mit einem „politischen Abendessen“ im TiB, einem Bowie-Projekt von Madame Nielsen im Orpheum und dem Auftakt des erweiterten herbst-Kabarettsprogramms auch in die zweiten Festivalwoche. Darin ist auch dem 20-Jahr-Jubiläum des 2003 eröffneten Grazer Kunsthauses sowie dem herbst-Partnerprogramm ein Schwerpunkt gewidmet – mit dabei sind da etwa das Theater am Lend, der Griessner-Stadl und das Planetenparty-Prinzip.
In der dritten Festivalwoche findet das musikprotokol statt, in der vierten das Literaturfestival „Out of Joint“: zum Auftakt hält Birgit Birnbacher eine „Rede aus der Zukunft“, es folgen Lesungen unter anderem mit Natascha Strobl und Shooting-Star Dincer Gücyeter. Erfreuliche Festival-Klammer: das großzügig erweiterte Vermittlungsprogramm.
Ute Baumhackl