Oscargewinner Ryūsuke Hamaguchi und Priscilla Presley eröffnen die zweite Festivalwoche in Venedig. Zwei ungleiche Wettbewerbsfilme, die doch eines gemeinsam haben: die Schwierigkeit zurück zu einer Normalität zu finden, wenn einen das vermeintlich große Leben woanders gefangen nimmt. Im Fall von Hamaguchi trifft das auch auf ihn selbst als Filmemacher zu, gewann er doch den Oscar und war plötzlich international ein großer Name. Insofern ist sein aktueller Film mit dem Titel "Evil Does Not Exist" auch eine passende Reaktion auf den ganzen Trubel, den sein dreistündiger Oscarfilm "Drive My Car" auslöste.
Die Geschichte dreht sich um ein kleines, abgelegenes Dorf. Dort soll ein Luxus-Campingplatz gebaut werden, der allerlei Debatten auslöst. Der Film fängt die Ruhe und Zufriedenheit der Bewohner ein und lässt die zwei PR-Leute aus der großen Stadt, die sie überzeugen sollen, stattdessen an sich selbst zweifeln. Für das Tourismusland Österreich bietet Hamaguchi damit gar keine schlechten Identifikationsfiguren.
Anders als Hamaguchi kennt "Priscilla"-Regisseurin Sofia Coppola als Spross einer Filmfamilie das Promi-Leben von Kindheit an. Sie musste sich erst selbst als Filmemacherin behaupten, ähnlich wie ihre Protagonistin. Doch ihr Film erzählt nur die Zeit von der ersten Begegnung bis zur Trennung von Priscilla und Elvis Presley. Coppola erweist sich dabei wieder einmal als Spezialistin für Teenager-Gefühle. Die heute 78-jährige Priscilla Presley hat ihren berühmten Ehemann nämlich während seiner Armeezeit in Westdeutschland kennenlernt, sie war gerade einmal 14 und er 24 Jahre alt.
Das Biopic "Priscilla", das nun in Venedig Premiere feiert, hat ihren Segen, jedoch nicht unbedingt den der Nachlassverwalter von Elvis. Allzu gut kommt der toxische Star-Ehemann darin nicht weg. Der einfühlsame Film dürfte jedenfalls mit dem Thema Grooming für Debatten sorgen, denen sich Coppola durchaus auch schon in ihrem Drehbuch stellt. Problemfilm ist der nostalgisch-opulente "Priscilla" aber dennoch nicht.
Marian Wilhelm