WER HAT ANGST VOR BRAUNAU
Bewertung: ***

Die Debatte um diesen Ort ist neu entfacht: Filmemacher Günter Schwaiger rückt in seiner sehr persönlichen Doku das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn in den Fokus. Am Ende des 99-minütigen Films gibt es eine Überraschung, die der Regisseur in einer Pressekonferenz vorwegnahm.

Es ist ein Artikel aus der Lokalzeitung „Neue Warte am Inn“ aus 1939, die vom Wunsch Hitlers berichtet, seine Geburtsstätte zu Kanzleien der Kreisleitung, also für administrative Zwecke umbauen zu lassen. Weil das Innenministerium in diesem Haus eine Polizeistation ansiedeln will, sieht Schwaiger Hitlers Begehr erfüllt.

Davon erfährt das Publikum erst am Ende. „Wer hat Angst vor Braunau?“ ist keine Crime-Story, sondern erforscht ruhig und sachlich mit vielen Bewohnerinnen und Bewohnern, Lokalpolitikern, Zugewanderten und Beamten Fragen von Nachnutzung, kollektiver Verdrängung, der Bürde des Orts und Mitläufertum.

Als an Hitlers Geburtstag ein Nazi Blumen auf dem Fenstersims hinlegt, beschimpft ihn ein wütender Anrainer, nimmt sie und wirft sie in den Mistkübel. Denn: „Wir machen hier keine Hitler-Verehrung.“

Der berührendste Moment kommt von der fast 100-jährigen Sozialdemokration und Ex-Bürgermeisterin Lea Olczak, deren Familie einst polnischen Zwangsarbeitern Unterschlupf gewährte. Sie spricht sich für eine sozial-karitative Nachnutzung des Hauses aus und begründet das so: „Weil der Hitler dagegen wäre.“ Etwas mehr historische Expertise und Gedächtnisforschung hätte dem empathischen Film nicht geschadet. (js)

PASSAGES
Bewertung: ****

Tomas nimmt sich, was er will, wen und wann er will. Er betrügt, manipuliert, und er liebt mit jeder Faser seines Körpers. Ausnahmeschauspieler Franz Rogowski („Große Freiheit“) verkörpert den Regisseur Tomas. Das Publikum begegnet ihm auf dem Set in Paris, als er auszuckt. Verheiratet mit dem gutmütigen Martin (Ben Whishaw, Q in der 007-Reihe), geht er eine Beziehung zu Agathe (Adèle Exarchopoulos) ein, sie wird schwanger. Tomas verlässt Martin, betrügt sie dann wieder mit ihm. Er will beide – gleichzeitig. Indie-Regisseur Ira Sachs erzählt in liebestollen Szenen von einem toxischen Mann und von dem Schaden, den er überall anrichtet. Widerspenstiges, sinnliches und dabei toll gespielte Ménage-à-trois. (js)

SOPHIA, DER TOD UND ICH
Bewertung: ****

Manchmal sollte man einfach nicht die Tür aufmachen, wenn es klingelt: Vor der Tür des Altenpflegers Reiner (Dimitrij Schaad) steht der Tod, oder eher einer seiner Schergen. Morten de Sarg (Marc Hosemann) ist gekommen, um Reiner zu holen. Das klappt aber nicht wie geplant, und gemeinsam geht es auf einen Roadtrip zu Reiners Mutter, dann weiter zu Reiners entfremdetem Sohn Johnny. Charly Hübners Spielfilm-Regiedebüt, das auf dem gleichnamigen Roman von Thees Uhlmann basiert, überzeugt mit morbider Leichtigkeit. Zwischen Fragen nach der Vergangenheit und dem Sinn im Jetzt mögen einige Zwischenstopps inhaltlich etwas zu bekannt sein, aber letztendlich zählt das Ziel. Und da landet der Film punktgenau. (sg)

MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN
Bewertung: ***

Die mittellose Schauspielerin Madeleine gibt sich als Mörderin eines übergriffigen Produzenten aus, um mit dieser Rolle vor Gericht endlich ihren Durchbruch zu feiern. Ihre Freundin Pauline ist Anwältin und verteidigt sie. Doch die Charade mit geplantem Freispruch aus Notwehr erweist sich als komplizierter als gedacht – vor allem, als in Gestalt des ehemaligen Stummfilmstars Odette Chaumette (Isabelle Huppert) eine weitere Mörderin auftaucht. François Ozon inszeniert gewohnt locker-leicht, bleibt aber sehr theaterhaft und textlastig. (maw)

DOGGY STYLE
Bewertung: ***

In der derben Komödie von Josh Greenbaum schließt sich der Hund Vierbeiner Reggie einer Gruppe von Streunern an – mit einem konkreten Ziel vor Augen: Reggies ehemaligem Herrchen als Rache sein bestes Stück abzubeißen. Auf halber Strecke werden narrische Schwammerl konsumiert, Genre-typisch folgt eine ausgedehnte Tripsequenz. Der animalische Twist und pointierte Beobachtungen zum Verhalten des besten Freundes des Menschen verleihen der eingerosteten Formel jedenfalls einen lässigen Schuss Anarchie. (pog)