"Hit the Road – Jaddeh Khaki" ist eine Fluchtgeschichte, die zugleich Familienkomödie und politische Allegorie ist. Mutter, Vater, erwachsener Sohn, kleiner Bruder und Hund – alle ohne Namen – sind auf dem Weg zur nördlichen Grenze. Was sie dort genau vorhaben, bleibt zunächst unklar. Das Interessante ist, wie Panah Panahi diese Reise erzählt. Wie auf jeder Autofahrt wird gestritten, diskutiert. Der kleine Bruder ist aufgedreht, sorgt aber auch für gute Laune bei ansonsten eher gedrückter Stimmung. Der Vater hat ein gebrochenes Bein, die Mutter macht sich Sorgen und der erwachsene Sohn ist auffallend still.
In der langen Tradition des iranischen Kinos ist "Hit the Road" ein Roadmovie. Hier orientiert sich Panah Panahi in seinem Debüt an seinem berühmten Vater Jafar, aber auch an den vielen iranischen Arthouse-Filmen anderer Regisseure. Im Auto gibt es die Freiheit, die es seit der Islamischen Revolution sonst fast nirgendwo außerhalb der eigenen vier Wände mehr gibt. Und auch die Fahrt in den Norden hat etwas mit der politischen Repression im Land zu tun.
Den Kontext Geschichte liefert also das theokratische Regime selbst, dem die neue Generation an Filmemachenden seit den jüngsten Protesten zunehmend ein Dorn im Auge ist. Gerade erst wurden unerlaubte Festivalteilnahmen im Ausland unter Strafe gestellt. Ali Ahmadzadeh gewann in Abwesenheit mit "Mantagheye Bohrani" den Goldenen Leoparden von Locarno, Regiekollege Saeed Roustaee wurde für "Leila's Brothers" verurteilt, den er 2022 in Cannes zeigte.
Panahi war 2021 mit "Hit the Road" dort zu Gast gewesen. Es ist erstaunlich, wie sehr sich Filmemachende aus dem Iran, ob im Exil oder noch im Land, von den schwierigen Bedingungen inspirieren lassen und daraus originelle und teils witzige, unterhaltsame Geschichten formen. "Hit the Road" ist eine davon, und auch die junge Generation im Hause Panahi beweist damit ihr Können.
Marian Wilhelm