Man kann jetzt gespenstische Übereinstimmungen mit realen Flächenbränden herstellen, die täglich aus den Nachrichtenkanälen lodern, muss man aber nicht. Denn Laura Freudenthalers neuer Roman "Arson" ist eine zeitunabhängige Meditation über das Feuer als Quell des Lebens, der Faszination, aber auch der Verführung und letztendlich Zerstörung. Und, um es vorwegzunehmen, "Arson" ist ganz große, schmerzhaft dringliche Literatur.
Alles ist außer Kontrolle, alles überhitzt, Löschflugzeuge kreisen, Sirenen heulen. Durch dieses Szenario irren zwei namenlose Menschen. Eine Frau, die mit wachsender Verzweiflung die Zerrüttungen protokolliert. Und ein Mann, Feuerwächter von Beruf, der an der Wachheit ebenso leidet wie an seiner Schlaflosigkeit. Beide haben den Kontakt zur Außenwelt minimiert, die Stimmen der Innenwelt werden indessen immer lauter. "Ich muss zu überleben beginnen", sagt die Frau an einer Stelle.
Diese Literatin schreibt keine billige Eskapismus-Prosa, verbreitet keine Angstlust, keine Dystopie-Romantik. Freudenthalers Text ist eine Wort für Wort, Seite um Seite beklemmender werdende Aufzeichnung der Verstörung, Ratlosigkeit und – vor allem das – der Erschöpfung auf allen Ebenen. Die Menschen suchen nach Erlösung. Aber längst schon sind dieses Wort und das damit verbundene Verlangen vom Religiösen losgelöst. Laura Freudenthaler ist eine Ausnahmeerscheinung in der österreichischen Literaturszene, die ohnehin reich ist an weiblichen Ausnahmetalenten.
Beunruhigende Gelassenheit
Jedes Wort sitzt hier, dennoch wirkt kein einziges davon künstlich platziert. Ihr Ton ist getragen von beunruhigender Gelassenheit, ihr Schreiben biedert sich nie dem Zeitgeist an. Dennoch legt sie die Finger punktgenau auf die Blessuren und Wunden der Zeit, allerdings mit den Mitteln der Literatur, die über den Dingen steht und dennoch mitten drinnen.
"Arson" ist das englische Wort für Brandstiftung. Es kommt in diesem Buch kein einziges Mal vor. Im Gegensatz zum Wort "Pyrophyten". Das sind Feuerpflanzen, die sich an ein Leben in besonders heißen und trockenen Lebensräumen angepasst und Schutzmechanismen entwickelt haben, um extremen Temperaturen zu trotzen. Am Ende des Buches sitzen die Frau und der Mann an einem Feuer. Rundum herrscht Stille. Ob sie als menschliche Pyrophyten überleben werden, bleibt offen.
Buchtipp: Laura Freudenthaler. Arson.
Jung und Jung, 241 Seiten, 25 Euro.