Wir könnten jetzt wetten, welche nächste Hype-Sau durch das globale Dorf getrieben wird. Bekanntlich ist der Hype ein schräges Pflänzchen, das gerne skurrile Blüten treibt. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass demnächst „Mensch sitzt in einem öffentlichen Verkehrsmittel und liest ein Buch“ der nächste Hype wird. Inmitten aller Smartphonenutzer ein Buch zu lesen, hat mittlerweile fast schon eine exotische Komponente. Doch das soll hier kein „Die Jugend liest keine Bücher mehr“-Bashing werden. Das wäre zu kurz gegriffen. Denn wie viele Erwachsene, die noch aus der Pre-Smartphone-Ära kommen, lesen regelmäßig Bücher? Die große Masse ist das wohl nicht. Die dahinterliegende Frage ist vielmehr: Wie kann man junge Menschen nicht nur für Bücher, sondern für Kunst und Kultur generell begeistern? Wären wir jetzt bei der Millionenshow, würde als mögliche Antwort naturgemäß „Elternhaus“ stehen und es wäre doch nur ein Teil der Wahrheit. Natürlich ist ein kulturaffines Elternhaus kein Nachteil, aber es ist nicht die Voraussetzung.

Unlängst schilderte etwa die Ausnahmedirigentin Joana Mallwitz dem „Spiegel“, dass sie sich ihren Zugang zur Klassik selbst erarbeitet hat. Weder stammt sie aus einer Musikerfamilie, noch war sie als Kind je bei Konzerten. Die Grundvoraussetzung ist vielmehr, dass die Neugierde geweckt werden muss. Im Juni hat die deutsche Kulturministerin Claudia Roth (Grüne) nach französischem Vorbild den Kulturpass eingeführt. Es ist zunächst ein Versuchsballon: Allen Jugendlichen, die heuer 18 Jahre alt werden, stehen 200 Euro zur Verfügung, um sie für unterschiedlichste Kulturangebote zu nutzen. Für Konzerte, Theater, Museen, Kinos, Bücher, Schallplatten und sogar Musikinstrumente kann das Geld genutzt werden. Ausgeschlossen sind Streamingdienste, aber die sind ohnehin das Habitat der Teens. Ist das Projekt erfolgreich, soll es auch für Jüngere umgesetzt werden.

100 Millionen Euro sind in Deutschland dafür vorgesehen. Und das ist alles andere als reines „Vergnügungsgeld“, sondern eine Eintrittskarte oder besser gesagt, eine Austrittskarte aus der eigenen Blase. Kunst und Kultur sind vor allem auch Werkstätten, die dringend notwendig sind, um die Herausforderungen der Zukunft – die in hohem Maß von künstlicher Intelligenz geprägt sein werden – zu erkennen und zu reflektieren. Denn wer kann die richtigen Antworten liefern? Natürlich nur jene, die auch das Problem erkannt haben. Dass Kunst und Kultur mehr Werkzeug und weniger Schmuck sind, wäre eine Erkenntnis, die auch der Kulturnation Österreich zu wünschen wäre – und ihrer Jugend ein Kulturpass.