Der Tour-Tross rollt nach Österreich. Mit im Gepäck eine Debatte, die mitunter schriller wirkt als mancher Rammstein-Song. Schwere Vorwürfe, Rufe nach Auftrittsverboten, Demonstrationen gegen „mutmaßliche Täter“ und Solidaritätsbekundungen von Fans, Absatzsteigerungen beim Plattenverkauf und in der Mitte des ganzen Wirbels der Frontmann Till Lindemann, dessen Verhalten auf der Bühne ganz und gar nicht deeskalierend wirkt. Letzteres ist eventuell auch kein Wunder, weil die Provokation bei Rammstein seit einem Vierteljahrhundert das Geschäftsmodell ist.

Zwei Konzerte in Wien

Nun schwappt das alles nach Österreich. Heute und morgen stehen zwei Konzerte im Happel-Stadion auf dem Programm. Was in der Vergangenheit auf den Partys vor und nach solchen Konzerten passiert ist, ist Gegenstand von Ermittlungen und – vor allem – von Medienberichten. Ein Rammstein-Fan hat gegenüber dem ORF Vorwürfe wegen sexueller Gewalt gegen Lindemann erhoben. Sogar Kulturminister Werner Kogler (Grüne) äußerte sich gestern zu dem Thema: Er zeigte Verständnis für die Forderung nach Absagen, weil Frauen, die „plausible Vorwürfe erheben, nicht immer ausreichend Gehör gefunden haben“. Zugleich betonte er, dass er nicht in die Durchführung oder die Absage von Konzerten eingreifen werde.

Insgesamt werden an den zwei Abenden 110.000 Besucher erwartet. Die Polizei wird laut Angaben der Landespolizeidirektion Wien mit 170 Einsatzkräften vor Ort sein. Veranstalter Arcadia Live verlautbarte schon Ende Juni in einer Aussendung, man erwarte „spektakuläre, aber vor allem auch friedliche und sichere Shows.“ Auch hätte es seit Jahren „Safe Spaces“ gegeben, man arbeite „ausschließlich mit geschultem Sicherheitspersonal, um die Sicherheit der Besucher auf einem sehr hohen Qualitätsstandard zu gewährleisten.“ Zu konkreten Sicherheitsvorkehrungen und Schutzkonzepten, wollte der Veranstalter gestern auf Anfrage kein Statement mehr abgeben. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hatte zu Wochenbeginn noch dazu aufgefordert, „effiziente Sicherheits- und Schutzkonzepte zu erstellen, damit sich solche abscheulichen Gewalthandlungen nicht wiederholen“.

Online-Petition

Die Landespolizeidirektion Wien bestätigte außerdem die Anmeldung der Demonstration „#KeineBühne für mutmaßliche Täter“. Diese ist aus der gleichnamigen Online-Petition hervorgegangen, die bis dato über 17.000 Unterstützer gefunden hat. Die Initiative fordert, die Rammstein-Konzerte in Wien abzusagen, bis alle Missbrauchsvorwürfe gegen Lindemann und weitere Bandmitglieder geklärt sind. Bei der Demonstration vor dem Happel-Stadion werden am Mittwoch zwischen 100 und 500 Teilnehmer erwartet. Meri Disoski und Viktoria Spielmann von den Wiener Grünen: „Schutzzonen für Frauen können nicht die Antwort sein, wenn die Missbrauchsvorwürfe so schwer wiegen, dass mittlerweile die Staatsanwaltschaft Berlin gegen Till Lindemann ermittelt.“

Die Kundgebung wird vom Kampagnenbündnis #aufstehn unterstützt. Redebeiträge soll es unter anderem von der Regisseurin Katharina Mückstein geben, die ihrerseits #metoo-Fälle in der österreichischen Filmbranche aufdeckte.