Große Dramen gab es vor 100 Jahren nicht, nur Fuchs und Hase haben sich in der Einöde der Hollywood Hills Gute Nacht gesagt. Am 13. Juli 1923 wurde hier der Schriftzug Hollywoodland aufgestellt, um für den Kauf von Grundstücken zu werben. Nur wenige Jahre später nahm er dort seinen Ausgang, der Goldrausch der Filmindustrie. Hollywood! Der magische Anziehungspunkt für alle Kreativen der Unterhaltungsbranche.
Der Wunsch von der Weltkarriere wird seit jeher nur für wenige Wirklichkeit, denn Hollywood schreibt zwar die schönsten Märchen, aber kann ein ziemlicher Albtraum sein. So erzeugt die Kreativwirtschaft zwar mit Bravour Illusionen, aber kämpft mit realen Problemen: Die Produktion von Filmen und Serien steigt, aber die Budgets sinken. Und der Erfolg von Serien und Filmen auf den Streamingplattformen schlägt sich finanziell nicht bis zu den Kreativen durch. Hinzu kommt die reale Bedrohung durch Künstliche Intelligenz. Schauspielerinnen und Schauspieler befürchten unter anderem, dass ihre Auftritte und Stimmen früher oder später mit KI genutzt werden könnten.
Duncan Crabtree-Ireland, Chefunterhändler der Schauspielergewerkschaft, warnte vor einem Vorschlag der Hollywood-Studios, wie KI künftig die Kosten senken könnte: Nebendarsteller würden umfassend gescannt, bekämen nur einen einmaligen Tageslohn, und ihr digitales Abbild könnte für andere Produktionen genutzt werden. Ohne weitere Kompensationen für die Schauspieler. „Das gesamte Geschäftsmodell wird durch Streaming und KI verändert. Wenn wir jetzt nicht aufstehen, sind wir alle in Gefahr“, warnt Gewerkschaftspräsidentin Fran Drescher.
Aus ähnlichen Gründen sind Anfang Mai schon die Drehbuchschreiber in den Streik getreten, seit Freitag ist auch die mehr als 160.000 Mitglieder große Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Artists (SAG-AFTRA) im Arbeitskampf.
Betroffen von der Arbeitsniederlegung sind allerdings nur Film- und Serien-Schauspieler: Für diese Gewerkschaftsmitglieder bedeutet der Streik de facto ein Arbeitsverbot. Sie dürfen nicht mehr vor der Kamera arbeiten. Nicht-Gewerkschaftsmitglieder könnten theoretisch weiter drehen, die Gewerkschaften drohten ihnen aber bereits mit Ächtung.
Auf dem roten Teppich wurde der Streik schon Donnerstagabend eindringlich sichtbar: Die Superstarriege des Films „Oppenheimer“ verschwand bei der London-Premiere schon nach kurzer Zeit von der Bühne. Margot Robbie und Ryan Gosling, Aushängeschilder des zweiten Kinoknüllers „Barbie“, der nächste Woche anläuft, fliegen gleich gar nicht zur Premiere nach Berlin. Doch der fehlende Starrummel ist nur die Spitze des Eisbergs, die Folgen für die Unterhaltungsindustrie sind enorm. Zwar sind die meisten Blockbuster für dieses Jahr abgedreht, aber im Serienbereich liegen etliche Produktionen durch den Streik der Drehbuchschreiber auf Eis. Allein nächste Woche steht mit der Comic-Con in San Diego eine der wichtigsten Plattformen für neue Film- und Serienproduktionen auf dem Kalender. Schon mit dem Streik der Drehbuchautoren haben Streamer wie Netflix und diverse Studios ihre Teilnahme abgesagt. Was auch präsentieren, wenn es nichts gibt?
Gesicht des Streiks gegen die mächtigen Hollywood-Studios ist Fran Drescher (65), die sich in den 90ern als Kindermädchen in der Sitcom „Die Nanny“ einen Namen machte. Mit Schildern und geballter Faust lässt sich die Gewerkschaftsführerin kämpferisch ablichten: „Ihr solltet euch schämen!“, ruft sie der US-Filmwirtschaft zu. Der letzte Streik der Schauspieler-Gilde hielt 1980 drei Monate lang. Gemeinsam mit den Drehbuchautoren wurde zuletzt vor 63 Jahren gestreikt. Gewerkschaftspräsident war damals einer, der zwei Jahrzehnte später US-Präsident werden sollte: Ronald Reagan. Auch Patty Duke und Charlton Heston standen bereits an der Spitze der mächtigen Gewerkschaft.