Von der namensgebenden Straße hat sich La Strada seit seiner Gründung 1997 schon oft entfernt. Das Straßentheaterfestival war schon Zelt-, Wiesen- und Bergfestival, die diesjährige Ausgabe vom 28. Juli bis 5. August fällt durch einen Wald-Schwerpunkt auf. Die Performer Marta Navaridas und Alex Deutinger laden zum Bed & Breakfast auf dem Waldboden in Kalkleiten im Norden von Graz, wo auch das als „zw’eig“ auferstandene „Theater T’eig“ zu einer spielerischen Entdeckungsreise mit Waldpass, Kieferduft-Sauna und Waldschule einlädt.

Letzteres kommt dem schon nahe, was die niederländische Theatermacherin Emke Idema nach Graz mitbringt: Mit ihrer „School of Unlived Worlds“ (Schule der ungelebten Welten) sucht sie schon in Groningen oder Mailand nach subjektivem Wissen außerhalb gängiger Wege des Erkenntnisgewinns. Wie schon beim aufsehenerregenden Projekt „Signal am Dachstein“ 2021 stellt La Strada damit das zusehends widersprüchlich werdende Verhältnis zwischen Mensch und Natur in den Mittelpunkt seines Programms. Für die „School of Unlived Worlds“ lädt Emke Idema gemeinsam mit Marie Groothof und Floor Cremers 15 Teilnehmende auf eine dreitägige Wald-Expedition ein.

Das Unkonventionelle hat in der künstlerischen Praxis der Holländerinnen Methode: Gemeinsam werden sogenannte Interventionen entworfen, die spielerisch Gewohnheiten und Sichtweisen der Teilnehmenden aufbrechen. Das kann unter Umständen bedeuten, die Welt auf allen vieren zu erkunden; oder mit kräftigem Kopfschütteln die Perspektiven und Bezugspunkte zu wechseln. „Wir Menschen sind es gewohnt, die Richtung zu kennen, Wege zu gehen, die uns vor- oder rückwärts bringen. In unserem Fall muss man sich völlig neu und anders orientieren“, erklärten die Künstlerinnen im Mai, als sie in Kalkleiten ihr La-Strada-Projekt vorbereiteten.

Subjektive Erfahrungen versus tradiertes Wissen

„Die Interventionen sind nicht immer angenehm. Manchmal waren es aber gerade die unkomfortablen, die einen weiterbrachten“, erzählte Groothof über den unkonventionellen Forschungsprozess. Im Anschluss an diese Interventionen schreiben die Teilnehmenden ihre Erlebnisse nieder und konfrontieren gemeinsam die subjektiven Erkenntnisse mit dem davor Gewussten.

Die Künstlerin Emke Idema: "Entscheidend ist, dass wenn man einen Raum auf eine völlig andere Art und Weise betritt, plötzlich der gesamte Ort anders erscheint."
Die Künstlerin Emke Idema: "Entscheidend ist, dass wenn man einen Raum auf eine völlig andere Art und Weise betritt, plötzlich der gesamte Ort anders erscheint." © La Strada/Nikola Milatovic

La Strada lernte Idema im Vorjahr im Rahmen einer Residency kennen und war beeindruckt: „Es ist eine große Mischung an unterschiedlichen Künsten – vom großen Fest auf der Straße bis zu experimentellen Projekten. Es existiert alles nebeneinander, das Festival ist in diesen Tagen sehr präsent in der Stadt.“