Zwei Kopftücher trugen sie bei jeder Schicht. Eines vorne, eines hinten geknüpft. Und trotzdem machte jeder von ihnen der „Haarfraß“ zu schaffen, verursacht durch Nässe, Dreck und Kälte. Spliss heißt das heute und wird mit Balsamen behandelt. Damals, in den 60er-Jahren, war das strapazierte Haar der „Klauberfrauen“ auf dem Erzberg ein minderer Nebeneffekt der Schufterei an den Förderbändern und Sortiertischen.
Von 1912 bis 1967 waren in Eisenerz fast nur Frauen damit beschäftigt, das wertvolle Erz vom tauben Gestein zu trennen – ausschließlich per Hand. Die Ausstellung „Wir Klauberinnen“, in den letzten beiden Jahren im „FreiRaum Eisenerz“ zu sehen, ist jüngst ins Museum für Geschichte übersiedelt – gibt nun also auch in Graz Einblick in ein bisher kaum bekanntes Stück steirischer Wirtschafts- und Geschlechtergeschichte. Denn Bergwerksarbeit war nie ein reiner Männerjob. Das zeigt die kompakte Schau, für die Kuratorin Karin Hojak-Talaber Bildmaterial, Arbeitsutensilien und Schautafeln zusammengetragen und zehn ehemalige Klauberinnen befragt hat.
Deren Berichte illustrieren denn auch anschaulich die Hintergründe der Frauen-Schwerstarbeit im Tagbau: Ihre Tätigkeit galt als leichter, sie bekamen entsprechend weniger Lohn als die Bergmänner. „Ich hab‘ ja nix gelernt, deswegen hab‘ ich in die Klaubanlage gehen müssen“, erzählt etwa die ehemalige Klauberin Emilie Goldgruber in einem Audiobeitrag. Dabei war das Schlichten der Erzbrocken noch besser bezahlt als ein Job als Friseurin oder Verkäuferin, berichtet Kuratorin Hojak-Talaber.
Bis heute ist nicht dokumentiert, wie viele Frauen über die Jahrzehnte in den zwölf Sortieranlagen des Erzbergs gearbeitet haben. Fotos insinuieren hunderte, wenn nicht tausende. Das NS-Regime beutete Zwangsarbeiterinnen in den Betrieben aus. In den Nachkriegsjahren trieb materielle Not die Arbeiterinnen auf den Berg – winters eineinhalb Stunden zu Fuß bergauf durch den Schnee, in Acht-Stunden-Schichten zusätzlich zu Haushaltsarbeit und Kinderversorgung. Dennoch zeigt die Ausstellung nicht zuletzt die emanzipatorische Wirksamkeit der harten Arbeit – die Solidarität unter den auch „Brecherweibern“ genannten Frauen kommt ebenso zur Sprache wie ihre ausgiebigen Wochenendbelustigungen und die teils recht brachialen Scherze, für die sie von den Arbeitskollegen gefürchtet waren. Nicht zuletzt konterkarierte ihr Tun auch das restaurative (Haus-)Frauenbild der Wirtschaftswunderjahre. Kein Wunder, dass eine der Zeitzeuginnen dann auch konzediert: „Wenns heut so wär wie damals, gangat i wieder aufi.“
eisenZ*ART vergrößert sich
Konzipiert wurde „Wir Klauberinnen“ im Rahmen der „eisenerZ*ART“. Das verdienstvolle Eisenerzer Festival um Gerhild Illmaier wiederum hat sich mit der aktuellen Ausgabe einen neuen Namen gegeben: Es heißt jetzt „eisenZ*ART“ – eine Reaktion auf die örtliche Ausweitung des Programms. So ist, nebst einer Neuedition der Ausstellung „Herbert Eichholzer – Blaupause“ in Gedenken an den Architekten und von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer (bis 26. August im von ihm anno 1939 erbauten FreiRaum Eisenerz) in Trofaiach das Gastspiel „Die Welt ist ein Würstelstand“ von Nikolaus Habjans Schubert Theater zu erleben (9. Juli, Museumsdepot). In Leoben-Donawitz widmen Johannes Silberschneider und Soyka Stirner einen Abend dem Neuen Testament auf Wienerisch: „Da Jesus und seine Hawara“ (19. August, Pfarrkirche). Weitere „eisenZ*ART“- Ereignisse etwa mit „Küchenkabarettist“ Omar Khir Alanam und dem Nino aus Wien sind für Herbst programmiert.
Ute Baumhackl