Kurz vorher hatte sie noch mit dem Gedanken gespielt, zum Nova-Rock-Festival zu fahren. "Das Line-up war großartig, aber im Nachhinein war ich froh, dass ich nicht da war", erzählt Claudia Miller, die seit 25 Jahren im Rollstuhl sitzt. "Wenn dort der Regen kommt, versinkt man damit einfach im Gatsch."
Mit dem Rollstuhl auf Festivals unterwegs
Miller weiß, wovon sie spricht. Sie hat schon zahlreiche Festivals besucht und dabei die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. Ein Problem sind häufig die langen Wege, die von den Parkplätzen zu den Rollstuhltribünen zurückzulegen sind. Zudem sind oftmals nicht ausreichend Plätze im Schatten vorhanden: "Für Menschen mit Behinderungen ist das wegen der Temperaturregulierung ein großes Problem."
Generell habe sich aber auch schon viel getan. "Vor 25 Jahren war ich oft eine der Einzigen, die auf der Rollstuhltribüne war. Das hat sich Gott sei Dank in den letzten Jahren stark verändert: Menschen mit Behinderungen sind mehr unterwegs, trauen sich viel mehr." Das sei großartig, führe aber auch zu mehr Nachfrage nach Rollstuhltickets, für die oftmals nur ein begrenztes Kontingent bestehe. "Da herrscht von Veranstalterseite also noch Handlungsbedarf."
Wiener Agentur setzt sich für barrierearme Festivals ein
So wie Claudia geht es vielen Menschen mit Behinderung. Das weiß auch Martina Gollner. Sie ist von Geburt an hochgradig sehbehindert: "Ich habe mich lange nicht getraut, Großveranstaltungen zu besuchen. Wegen der dort herrschenden Lichtverhältnisse ist es für mich schwierig, mich zu orientieren, und ich bin auf eine Begleitperson angewiesen." Aufhalten lassen wollte sie sich davon trotzdem nicht. Ihre eigenen Erfahrungen auf Großveranstaltungen haben sie schließlich dazu inspiriert, selbst tätig zu werden.
2016 hat sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Christina Riedler die Beratungsagentur "Full Access" gegründet. "Wir möchten Veranstalterinnen und Veranstaltern mit barrierearmen Lösungen weiterhelfen", sagt Gollner im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf dem Bereich der Information und Kommunikation.
Hier geht es nicht nur darum, die Veranstalter zu beraten, sondern auch Ansprechpartner zu sein. "Viele Veranstalter vergessen, Informationen über die Gegebenheiten vor Ort zu geben oder Ansprechpartnerinnen und -partner für Menschen mit Behinderungen mitzuteilen. Das kann an uns ausgelagert werden." Zudem ist es ihr und ihrer Geschäftspartnerin ein Anliegen, möglichst viele Arten von Behinderungen für Veranstalter sichtbar zu machen, um betroffenen Menschen ein erfolgreiches Festival zu ermöglichen.
Barrierearme Festivals
Von Barrierefreiheit sprechen die beiden Gründerinnen im Open-Air-Kontext übrigens bewusst nicht. "Inklusive des Untergrunds sind da so viele Aspekte, die man nicht kontrollieren kann – Barrierefreiheit ist da einfach unrealistisch. Deswegen sprechen wir in dem Kontext von barrierearmen Veranstaltungen."
Aktuell arbeiten die beiden Frauen mit dem Organisationsteam des Donauinselfests zusammen, das am Wochenende in seiner 40. Auflage über die Bühne geht. Neben ihrer Beratungstätigkeit fungieren Gollner und Riedler auch als Ansprechpartnerinnen für Menschen mit Behinderungen, die ihren Festivalbesuch planen und vorab Informationen einholen wollen. Die beiden Frauen werden auf dem Donauinselfest selbst übrigens auf den beiden Plattformen für Menschen mit Behinderungen anzutreffen sein.
Claire Herrmann