Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann eingeleitet. Die Behörde bestätigte am Mittwochabend, dass wegen "Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln" gegen Lindemann ermittelt werde.

Die Ermittlungen wurden nach Angaben einer Sprecherin aufgrund mehrerer Strafanzeigen von nicht am möglichen Tatgeschehen beteiligten Personen sowie von Amts wegen eingeleitet. Weitere Angaben könnten derzeit nicht gemacht werden, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden und die Persönlichkeitsrechte der potenziell Geschädigten und des Beschuldigten zu schützen.

Mehrere Frauen hatten in jüngster Zeit – teilweise anonym – den Vorwurf der sexuellen Übergriffigkeit gegen Rammstein-Frontmann Lindemann erhoben. Gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk und der "Süddeutschen Zeitung" beschrieben sie, wie junge Frauen offenbar gezielt für Sex mit dem Sänger rekrutiert wurden. Sie sollen demnach auf Konzerten und Instagram gezielt angesprochen und dann auf speziell für Lindemann organisierte After-Show-Partys eingeladen worden sein.

"Suck Box" unter der Bühne

Die Vorgänge hinter der Bühne der deutschen Erfolgsband seien in der Musikbranche jedoch ein "offenes Geheimnis" gewesen, sagte Aeneas Hohenadl, Geschäftführer des Veranstaltungstechnikunternehmens Riggingwerk, der "Welt". Ihm zufolge waren die Geschehnisse lange bekannt. In der Crew sei der Raum unter der Bühne, den auch Lynn beschreibt, als "Suck Room" bezeichnet worden, so Hohenadl gegenüber der „Welt“. In dem Raum sei es zu sexuellen Handlungen zwischen Rammstein-Frontmann Lindemann und Frauen gekommen. Die Firma Riggingwerk werde mit Rammstein bei deren Konzerten nicht mehr zusammenarbeiten. 

"Die Vorwürfe wiegen schwer"

Die heimischen Grünen, die zuletzt für eine Absage der beiden Konzerte im Wiener Ernst-Happel-Stadion Ende Juli eingetreten sind, befürworteten die rechtlichen Schritte in einer Aussendung. "Die vor kurzem bekannt gewordenen Vorwürfe von sexualisierter Gewalt durch Till Lindemann wiegen schwer", so Meri Disoski, stellvertretende Klubobfrau und Frauensprecherin der Grünen. "Es ist wichtig, dass die deutsche Justiz diese Aussagen ernst nimmt und nun Ermittlungen wegen des Verdachts nach Paragraf 177 des deutschen Strafgesetzbuches einleitet." Zugleich kritisierte sie auch Teile der medialen Reaktion auf die Berichte der Frauen.

Versuche der Einschüchterung

"In den vergangenen Tagen sind aus der #MeToo-Debatte bestens bekannte Mechanismen gegen die aussagenden Frauen losgetreten worden. Rammstein selbst hat versucht, die Frauen mit Klagsandrohungen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Der männlich dominierte Musikjournalismus und das männlich dominierte Feuilleton haben in bester männerbündischer Manier versucht, die Glaubwürdigkeit von Frauen zu untergraben, klassische Täter-Opfer-Umkehr betrieben und romantisierend von 'Groupietum' statt von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt gesprochen. Umso wichtiger ist es, dass die Berliner Staatsanwaltschaft den schwerwiegenden Vorwürfen der Frauen nun nachgeht", unterstreicht Disoski.

Backstage-Knigge

Nach den Vorwürfen gegen Rammstein-Lindemann wollen deutsche Veranstalter Fans auf Konzerten künftig besser schützen. Laut «Bild», wird beim deutschen Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) ein «Code of Conduct» für Veranstalter erarbeitet - eine Selbstverpflichtung, die Regeln rund um Konzerte aufstellen soll – ein "Backstage-Knigge".

Was darin stehen wird ist noch unklar. Eine Variante, die im Gespräch ist: Unabhängiges Sicherheitspersonal, das als Ansprechpartner für die Fans vor Ort dient. Zudem könnten Anlaufstellen und sogenannte Care-Teams eingerichtet werden. Backstage-Partys könnten künftig zudem nicht von der Band selber, sondern vonseiten des Veranstalters betreut werden. So hätte man Kontrolle darüber, was sich an den Partys abspielt.