Am Donnerstag wurde im Zuge des UN-Weltmeertags daran erinnert, dass unsere Meere 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken. Wie steht’s um den Zustand?
Jasmin SCHREIBER: Die Lage ist angespannt. Einerseits leiden die Weltmeere unter der dauernden Erwärmung, ein halbes Grad mehr halten wir Menschen weit besser aus als Lebewesen in der Tiefsee etwa, andererseits sind auch das Plastik im Meer und die Überfischung ein Riesenthema.


Gibt es bald mehr Plastik als Fische im Meer?
Gute Frage. Noch ist die tierische Biomasse höher im Meer.
Laut einer Wissenschaftsstudie der Ellen MacArthur Foundation könnte es im Jahr 2050 tatsächlich mehr Plastik als Fische im Meer geben.

Was dann?
Man hat bereits im tiefsten Punkt des Meeres, im Marianengraben, Plastik gefunden. Das ist ein Problem. Aber auch Schiffverkehr, Ölplattformen oder die riesigen Offshore-Windparks, die vor der deutschen Küste entstehen sollen, sind ein Riesenthema, weil dabei Verankerungen in den Meeresboden gerammt werden. Das macht Lärm, der oft die Ursache für Walstrandungen ist.


Wie das?
Wale orientieren sich über Schall, und alles, was sich im Meer bewegt, von den großen Schiffen bis zu den Windparks, sorgen für eine Lärmverschmutzung unter Wasser. Die Wale können sich dadurch nicht mehr orientieren und werden irregeleitet.


Was hat es mit den bedrohten Wäldern der Meere auf sich?
Wald bedeutet nicht gleich Baum, es kann auch eine Ansammlung von großen Pflanzen sein. So gibt es sehr große Seetangwälder, tolle Lebensräume für Tiere. Der geheime Wald im Meer. Seetang mag es kühl, und die Erwärmung des Ozeans führt dazu, dass dieser Lebensraum kleiner wird und somit auch die Grundlage für die Unterwassertierwelt schrumpft.

In Ihrem jüngsten Buch „Schreibers Naturarium“ räumen Sie mit einigen Missverständnissen auf. Sie sagen, dass es vielleicht gut gemeint, aber nicht wirklich gut ist, wenn man sich Bienenstöcke aufs Flachdach stellt. Wieso nicht?
Die Honigbiene ist ein tolles Tier, ein soziales Wesen mit unglaublichem Orientierungssinn, aber das Problem dabei ist: Es wird ihr eine Bedeutung zugeschrieben, die sie nicht hat.
Stirbt die Biene, stirbt der Mensch: Stimmt das nicht?
Das ist Blödsinn. Zudem ist die Honigbiene robust. Die moderne Honigbiene, wie sie die Imker haben, ist hochgezüchtet. Die europäische Dunkelhonigbiene, von der sie abstammt, wurde ausgerottet. Bei den Honigbienen in Imkerstöcken handelt es sich um Nutztiere. Und die haben einen Riesenvorteil.

Welchen denn?
Als Imkerin kümmere ich mich um die etwa 50.000 Honigbienen im Bienenstock, aber jede Hummel muss allein für ihre fünf Kinder sorgen. Honigbienen verdrängen die Wildbienen immer mehr. Aber es gibt Dutzende Planzengattungen, die nur von Wildbienen bestäubt werden und sich somit fortpflanzen können. Die Honigbiene kann aufgrund ihres variablen Saugwerkzeugs ziemlich alle Pflanzenarten abgrasen. Und wenn dann die Wildbiene kommt, gibt es nichts mehr für sie.

Wie kann man Wildbienen fördern?
Wildbienen nisten häufig im Boden, daher hilft man ihnen am meisten, wenn man im Garten eine freie Fläche lässt. Auch Schmetterlingen, von denen es immer weniger gibt, hilft man, wenn man Ecken mit Brennnesseln stehen lässt. Wenn man noch Reisig draufstreut, ist man in der A-Klasse. Am besten schützt man die Natur, wenn man sie einfach lässt. Also nicht ständig mähen und alles sauber halten, sondern besser faul sein und die Natur einfach sein lassen. Das ist die Basis des Lebens.

Sie schreiben, dass Sie ein besonderes Faible für Schnecken haben: Was ist gut an einer Schnecke, die den Salat wegfrisst?
Schnecken stürzen sich gern auf weiche, halb verrottete Speisen. Also ab mit der Schnecke auf den Komposthaufen, dann bleibt der Salat vielleicht stehen. Der Komposthaufen ist jedenfalls mein Schnecken-Hauptquartier.

Sie sind auch ein Fan von Maulwurfshügeln im Rasen?
Und wie! Ich freue mich über jeden Hügel. Denn der Maulwurf lockert den Boden perfekt auf, er ist ein Nützling. Der macht gratis einen Job, den man sonst nur mit teuren Geräten wie Vertikutierern hinbekommt. Im Übrigen stellt sich die Frage, was der Mensch von einem bildhübschen Rasen hat, auf dem das Wasser aber nicht mehr gut einsickert. Bedankt euch bei den Maulwürfen, bedankt euch bei den Würmern, sie halten den Boden gesund. Maulwürfe essen außerdem die eine oder andere Schnecke.

Weil heute Vatertag ist: Gibt es im Tierreich Vorzeige-Väter?
Selbstverständlich! Der Totengräberkäfer ist so ein Fall, da kümmern sich tatsächlich beide Eltern um den Nachwuchs. Diese Käfer sind Aasfresser. Sie bauen so kleine Höhlen, legen das Aas hinein, desinfizieren es mit Speichel, verzögern damit die Verwesung und legen ihre Kinder da hinein. Die Babykäfer werden dann von beiden Elternteilen gefüttert.

Gibt es auch männliche Alleinerzieher im Tierreich?
Beim Seepferdchen trägt ja der Mann die Kinder aus und kümmert sich auch allein drum. Die Aufzucht der Jungen ist Männersache. Es gibt etliche Vogelarten, bei denen sich beide um den Nachwuchs kümmern. Es kommt auch immer wieder vor, dass ein Weibchen von einer frei laufenden Katze gefressen wird, und dann übernimmt der Vater zur Gänze die Kinder. Storchenväter sind besonders fürsorglich. Bei den Störchen ist die Arbeitsteilung übrigens fifty-fifty. Einer sitzt und brütet, der andere holt das Futter und füttert auch den Partner, dann geht wieder der andere los, sie wechseln sich richtiggehend ab. Storchenväter sind engagiert.

Und wo im Tierreich schleicht sich der Vater gern?
Oh, das ist bei vielen Tieren der Fall. Manchmal können die Männchen auch zur Gefahr für den Nachwuchs werden. Bei Hamstern ist das so, dass die Mutter den Vater früh aus dem Nest jagt, weil es sein kann, dass er den Nachwuchs nur als Imbiss sieht. Denn Hamster brauchen auch tierisches Protein, und wenn da so drei Babyhamster in der Größe von Shrimps liegen, kann das in eine falsche Richtung gehen. Deshalb prügelt Mama-Hamster den Vater gleich weg, damit es gar nicht zu solchen Problemen kommt.