Einmal im Jahr feiert sich die Branche selbst: beweihräuchernd, versöhnlich, lobend und solidarisch. Rund 30 heimische Journalistinnen und Journalisten aus Rundfunk und Printmedien wurden am Mittwochabend im ORF-Zentrum für ihre Leistungen im Vorjahr geehrt. Zwei Themen bestimmten die Preisverleihung vom Magazin "Österreichs Journalist:in": das Ende der Begutachtungsfrist des neuen ORF-Gesetzes und die bevorstehende Einstellung der gedruckten "Wiener Zeitung", deren Redaktion heute Abend übrigens von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit dem Kurt-Vorhofer-Preis ausgezeichnet wird. Themen wie Sparmaßnahmen, Kündigungen, Fake News, große Internetkonzerne, und Inseratenverluste schwebten über der Gala. Gefeiert wurde trotzdem – vor allem die Preisträgerinnen und Preisträger.
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann nahm den Preis für die beste Redaktion – den ORF – entgegen und freute sich, dass es "keine Obergrenze" für Auszeichnungen für den ORF gäbe. Sieben erste Plätze in den diversen Sparten heimste der öffentlich-rechtliche Rundfunk dieses Mal ein. Weißmann mahnte zur Versöhnung und zum Kompromiss: Man dürfe den Blick aufs Publikum nicht vergessen. Das Vertrauen in die Medien sinke, einmal mehr würden große Konzerne profitieren. "Wir sitzen alle im selben Boot", wiederholte er. Es sei an der Zeit, "aufeinander zuzugehen". Der ORF bekenne sich – wie zuletzt beim "4GameChangers"-Festival zur Kooperation. Denn: "Ohne Massenmedien keine Massendemokratie."
Täglicher Drahtseilakt des Journalismus
Den Hauptpreis als "Journalist des Jahres 2022" nahm ORF-Moskau-Korrespondent und Kleine Zeitung-Kolumnist Paul Krisai entgegen. Laut Jurybegründung lieferte er trotz schwieriger gesetzlicher Rahmenbedingungen in Russlands Hauptstadt "unaufgeregte Analysen". Die Laudatio hielt ORF-Kollege Karim El-Gawhary, der über den 28-jährigen Preisträger festhielt: "Der größte Fehler, den man machen kann, ist Paul wegen seines jungen Alters zu unterschätzen." Was El-Gawhary am meisten an Krisai schätzt? "Er erzählt, was er weiß, aber erklärt auch, was er nicht weiß." Er halte den Zeitpunkt der Auszeichnung selbst für "ein bisserl früh", befand Krisai in seiner Dankesrede, in der er auch vom "täglichen Drahtseilakt" des Journalismus in Zeiten der Zensur in Russland berichtete. Zur Kleinen Zeitung sagte Krisai im Anschluss: "Es ist ein wichtiges Zeichen für die Arbeit unseres Teams, unter solchen Bedingungen Journalismus machen zu können." Die einzige Konstante in Russland sei "die ständige Unvorhersehbarkeit", sagte der ORF-Journalist. "Auf dieser Basis evaluieren wir unsere Sicherheit ständig neu."
APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger wurde als erster Chefredakteur zum zweiten Mal nach 2019 als "Chefredakteur des Jahres" ausgezeichnet. Er freue sich über die "wunderbare Anerkennung für die APA-Redaktion, die für faktenbasierten und objektiven Qualitätsjournalismus steht." 2022 sei mit Putins Krieg gegen die Ukraine, der Energie- und Klimakrise sowie den Ausläufern der Coronapandemie journalistisch herausfordernd gewesen.
"Schleichende Markenveredelung"
Als "Medienmanager des Jahres" geehrt: "Kronen Zeitung"-Geschäftsführer Gerhard Valeskini. Die Jury lobte ihn für "eine schleichende Markenveredelung" bei Österreichs größter Tageszeitung. "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand betonte in seiner Laudatio Valeskinis Wertesystem aus "Mut, Haltung, Unabhängigkeit". Zum Thema Unabhängigkeit der Redaktion hielt Dichand fest: "Natürlich kann man uns kaufen. Jeden Tag an der Trafik."
"Medienpolitischer Schildbürgerstreich"
Für sein Lebenswerk wurde Johannes Kunz, von 1986 bis 1994 ORF-Informationsdirektor, ausgezeichnet. "Qualitätsjournalismus ist heute wichtiger als je zuvor", sagte er in seiner Dankesrede. Die bevorstehende Einstellung der "Wiener Zeitung" als Printprodukt bezeichnete Kunz als "medienpolitischen Schildbürgerstreich", später auch als eine "Kulturschande". Er mahnte ein, sich bei der nächsten Nationalratswahl an die Worte jener Politikerinnen und Politiker zu erinnern, die für die Einstellung verantwortlich seien. Dann könne es hoffentlich bald zu einem "Wiedererscheinen" kommen.
Maria Rauch-Kallat, Ex-ÖVP-Frauenministerin, die vor 25 Jahren den Journalistinnenkongress initiierte, erhielt einen Sonderpreis für ihr Engagement. Dessen Aufgabe betonte sie u. a. damit, "jedes Mal um ein paar Zentimeter größer wieder hinauszugehen". Sie war eine der wenigen Frauen, die man an diesem Abend zwischen männlichem Moderator, männlichen Preisträgern und männlichen Laudatoren am Podium sprechen hörte. Im Bildbereich wurde APA-Fotografin Barbara Gindl als "Fotojournalistin des Jahres" geehrt. Eva Linsinger, "Innenpolitikjournalistin des Jahres" vom Profil, bedankte sich bei ihrer Redaktion. Renate Graber, "Wirtschaftsjournalistin des Jahres" vom "Standard", sagte: "Wenn man eine Auszeichnung widmen könnte, dann widme ich sie den Redakteurinnen und Redakteuren der 'Wiener Zeitung'."
Die Kleine Zeitung durfte sich über mehrere Preisträgerinnen und Preisträger freuen. In der Kategorie "Lokaljournalismus" wurde die Redakteurin Claudia Beer-Odebrecht für Kärnten geehrt. Sie ist seit 1998 Journalistin für die Kleine Zeitung, leitete das Mittelkärnten-Ressort, jenes in Klagenfurt und hat sich im Bundesland-Ressort auf Kriminalstorys, juristische Hintergründe und Geschichten mit Betroffenen spezialisiert. Für das Bundesland Steiermark geehrt: Petra Prascsaics. Die leitende Redakteurin der Kinderzeitung ist seit der Lehrredaktion 2001 für die Kleine Zeitung journalistisch tätig: u. a. in den Ressorts Bundesland, Graz, Gesundheit, Magazin. Sie leitete zuletzt das "Besser Leben"-Ressort, das Bundesland-Ressort und ist seit einem halben Jahr für interne Weiterbildung bei der Kleinen Zeitung zuständig. Kleine-Chefredakteur Hubert Patterer landete auf dem dritten Platz in der Kategorie "Chefredakteur des Jahres", Sport-Chef Michael Schuen auf dem dritten Platz als "Sportjournalist des Jahres".