Die Wohnungssuche in Graz konnte Andrea Vilter noch nicht abschließen, das Schauspielhaus hat die angehende Intendantin hingegen schon bezogen. Auf der großen Bühne präsentierte die 57-Jährige am Dienstag mit Chefdramaturgin Anna-Sophia Güther ihren ersten Spielplan.

Was auffällt: Nie war das Schauspielhaus weiblicher, nur für drei der elf Haupthaus-Inszenierungen sind Regisseure verantwortlich. Dazu verzichtet die aus der Dramaturgie stammende Vilter in ihrer Premierensaison auf die großen Klassiker (Ausnahme: Georg Büchner), setzt stattdessen auf lokale beziehungsweise österreichische Helden (Jelinek, Nestroy und Schwab) und auf Entdeckungen von weiblichen Perspektiven.

Im Zeichen des Aufbrechens männlicher Perspektiven steht auch „Leonce & Lena“, wo Regisseurin Rebekka David in einen Dialog mit Büchners Text tritt. Eine bewusste Wiederentdeckung ist wiederum „Der Nebel von Dybern“ von Maria Lazar (1895-1948), eine österreichische Erstaufführung.

Die künftige Intendantin bedankte sich bei ihrer Vorgängerin Iris Laufenberg, von der sie „ein erfolgreiches Haus mit hohem künstlerischen Renommee“ übernehme. Gleiches Geburtsjahr (1966) und gleiche Geburtsstadt (Köln) teilten sich die beiden schon bisher, künftig haben ihre Biografien auch eine Intendanz in Graz gemeinsam.

Von der wichtigsten Autorin in ihrer Entwicklung spricht Vilter, wenn sie die zweite Premiere der Saison 2023/24 vorstellt: Elfriede Jelineks „Sonne/Luft“ kommt als österreichische Erstaufführung auf die Bühne. Schon oft in Graz zu sehen war hingegen Nestroys „Der Zerrissene“, diesmal mit Couplets von Ulrike Haidacher. Eine Adaption von Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ nahm Sivan Ben Yishai vor: Die deutsch-israelische Autorin, die am Sonntag den Theaterpreis Berlin erhielt, seziert den Arbeitsort Theater. Und mit „Prima Facie“ von Suzie Miller steht ein potenzielles Stück der Stunde auf dem Spielplan.

Umbruch im Ensemble

Das Publikum muss sich auf ein grunderneuertes Ensemble einstellen: „Es wird internationaler“, betont Vilter, schnell ergänzend: „Österreichische Stimmen sind auch dabei.“ 18 neue Darsteller und Darstellerinnen kommen ans Haus, nur Oliver Chomik, Sarah Sophie Meyer, Franz Solar und Rudi Widerhofer bleiben. Zur Erinnerung: Auch als Iris Laufenberg 2015 antrat, verließen 15 Ensemblemitglieder das Haus. Zum Deutschen Theater Berlin nimmt die scheidende Graz-Chefin sechs Darstellende mit.

Auch strukturell steht das 124-Mitarbeiter-Theater im Zeichen der Veränderung. Das „Haus 2“ heißt nun „Schauraum“, bekommt eine Bar und wird zum Ort für junges Theater: Politisches ist dort von Felix Hafners Serie „I am from Austria“ zu vermuten, dazu warten unter anderem Ulrike Haidachers „Die Party“ und Lesungen in Kooperation mit dem Drama Forum Graz. Das „Haus 3“ läuft künftig unter „Konsole“ und soll als Theaterlabor für digitales Erzählen dienen. Inszenierungen bleiben den beiden größeren Bühnen vorbehalten.