Ein Pferd frisst einen Strohhut: Die auf dieses doch eher merkwürdige Ereignis folgenden Querelen für den Hochzeiter Fadinard sind der gesamte Inhalt von Eugène Labiches Theaterstück „Der Florentiner Hut“, der Vorlage für Nino Rotas Oper. Die diversen Farcen des französischen Humoristen Labiche (1815-1888) tauchen in den letzten Jahren immer wieder auf, durchaus auch an unerwarteter Stelle wie dem Burgtheater und der Ruhrtriennale. Vermutlich ist der Mensch, der von einer kompromittierenden Situation in die nächste stolpert, gerade wieder einmal sehr aktuell. Auch dieser Fadinard ist ein entfernter Verwandter der Antihelden aus Franz Kafkas Romanen, ein gutwilliger „Kavalier“, der unverschuldet ständig in neue, groteske Situationen gerät. Der Tenor Piotr Buszewski brilliert hier als Getriebener, der einen tollen Tag voller Absurditäten und Missverständnisse erlebt.
Dabei singt Buszewski den Fadinard nicht nur formidabel, er spielt auch exzellent. Der Regisseur Bernd Mottl hat ohnehin dafür Sorge getragen, dass beim Ensemble das Timing sitzt und die Pointen passen. So viel gelacht wurde vom Grazer Opernpublikum in jüngerer Zeit selten. Mottl übertreibt die Farce nicht, was enorm klug erscheint: Die Sache ist schließlich schon verrückt genug. Alfred Mayerhofer (Kostüme) und Friedrich Eggert (Bühne) haben dazu eine Ausstattung in Schwarzweiß geschaffen, einzig das Objekt der Begierde ist strohfarben. Die Künstlichkeit und Überspanntheit dieser nahe am Nervenzusammenbruch gebauten Bizarrerie wird damit nur noch hervorgehoben.
Bemerkenswert wird „Der Florentiner Hut“ aber selbstverständlich in erster Linie durch die Vertonung Nino Rotas, die in den vergangenen Jahren gar nicht so selten wieder zu Aufführungsehren kommt. Rota komponierte das etwa eindreiviertelstündige Stück knapp nach dem Zweiten Weltkrieg. Er bediente sich ausgiebig an der italienischen Komödientradition, er zitiert und persifliert, Rossini scheint immer wieder durch, andere Stellen wiederum sind reiner Puccini. Wie Rota eine Balance aus Komödien-Parlando und Melodie zuwege bringt und zwischen Sentiment und Ironie vermittelt, ist ebenso beeindruckend wie so manches Motiv, das ahnen lässt, wie es dieser genialen Pranke später im Film gelingen sollte, mit ganz wenigen Takten eine eindrückliche Atmosphäre zu schaffen und Emotionen hervorzurufen. Rotas Weltruhm als Filmkomponist ist wahrlich verdient.
Der Dirigent Daniele Squeo lässt Rotas Komödienwerkl federn und pulsieren. Die Grazer Philharoniker klingen exquisit, manchmal freilich etwas greller und poltender als auf der ausgezeichneten Studioaufnahme der Grazer Oper, die dieser Produktion pandemiebedingt vorangegangen ist.
Neben dem hellen, eloquenten Buszewski agiert ein wunderbares Hausensemble. Hervorzuheben ist die lyrische Geschmeidigkeit von Tetiana Miyus' Elena. Aber auch Daeho Kim, Anna Brull, Darius Perczak, Andzelika Wisniewska, Martin Fournier und Ivan Orescanin sorgen für einen akkuraten, niveauvollen Abend, der zugleich einen wunderbar leichten, aber beileibe nicht seichten Ausklang der achtjährigen Opernintendanz von Nora Schmid bedeutet.
CD- und Streaming-Tipp: Nino Rota. Il cappello di paglia di Firenze. Grazer Philharmoniker, Daniele Squeo. Erschienen bei Capricco.