Ist es nicht etwas seltsam, dass just ein Mann ein Buch darüber schreibt, was Frauen wirklich wollen?
MARTIN SCHRÖDER: Da ich ein empirischer Sozialforscher bin, schaue ich mir einfach gern an, ob der Diskurs mit den Daten übereinstimmt. Ich stelle mir die Frage, ob die gesellschaftliche Debatte über das Leben von Frauen in unseren Breiten mit den Zahlen übereinstimmt.
Sie haben Ihr Buch auf Basis von 700.000 Befragungen geschrieben. Wann wurde mit dieser Studie begonnen?
1984 hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung begonnen, jedes Jahr Zehntausende Menschen zu befragen. Diesen Datenschatz nutze ich. Die historischen Daten nutze ich zudem für Vergleiche mit den heutigen Zahlen. Aber selbstverständlich arbeite ich vor allem mit den aktuellsten Daten.
Sie schreiben, dass Frauen heute kaum benachteiligt sind und es ihnen viel besser geht, als gemeinhin angenommen. Worauf stützen Sie diese Behauptung?
Darauf, dass Frauen heute in Deutschland weder im Arbeitsleben noch privat benachteiligt sind. Es gibt inzwischen mehrere Quellen, die belegen, dass es bei Bewerbungsverfahren keine Benachteiligung mehr gibt. Im geisteswissenschaftlichen Bereich haben Frauen bei gleichen Qualifikationen sogar höhere Chancen.
Sind jetzt die Männer die Opfer?
Meine These ist, dass es bestimmte Bereiche gibt, in denen es für Frauen tatsächlich leichter ist zu punkten: Das sind eben manche Geisteswissenschaften, einige progressive Medien sowie Kultur und Kunst. Aber Männer jetzt als Opfer herauszustreichen, wäre auch falsch. Frauen und Männer sind laut Untersuchungen in Deutschland heutzutage fast gleich zufrieden mit ihrem Leben. Auf einer Skala von null bis zehn geben beide sieben an.
Ihre Kollegin Jutta Allmendinger kritisiert, dass es Dutzende Studien gibt, in denen die mangelnde Gleichstellung signifikant sei und Frauen auch mehr von Armut betroffen wären. Sie aber argumentieren, dass Frauen leben, wie sie wollen.
Ich sage nicht, dass Armut bei Frauen okay ist. Aber, dass nicht alle denselben Job machen, sehe ich noch nicht problematisch. Armut nein, soziale Ungleichheit in einem bestimmten Ausmaß ja, denn ich kann mich auch nicht darüber aufregen, dass ich als Universitätsprofessor weniger verdiene als der CEO in der Privatwirtschaft, es ist auf eine Art sogar gerecht.
Sie gehen mit dem Feminismus hart ins Gericht und schreiben, dass wir das Leben von Frauen oft als "trübselig" bewerten, weil ein "illiberaler Feminismus" Frauen als chronische Opfer präsentiert.
Genau, denn ich stelle dem Opferfeminismus einen Fairness-Feminismus gegenüber. Ich sage ja nicht, der Feminismus ist schlecht ...
Ist Feminismus gut?
Ja, ich nenne mich sogar Feminist, wenn es um Gleichberechtigung geht.
Wann nicht?
Wenn es um Gleichstellung geht. Denn die Menschen wollen Unterschiedliches.
Was wollen Frauen denn?
Laut Präferenztheorie haben 20 Prozent der Frauen großes Interesse an einer Karriere. 20 Prozent wollen zu Hause sein und sich um die Familie kümmern. 60 Prozent der Frauen wollen beides irgendwie kombinieren. Und diese drei Gruppen muss die Politik unter den Hut bringen, und das ist so schwierig.
Was verstehen Sie unter einem "illiberalen Feminismus"?
Dass wie bei illiberalen Regimen postuliert wird: Wir haben eine sehr genaue Vorstellung davon, wie unsere Gesellschaft zu funktionieren hat, was gut und was schlecht ist. Und andere Meinungen werden schlicht nicht akzeptiert, sondern unterdrückt. Beim illiberalen Feminismus wird Frauen deswegen nicht zugehört, sondern Gleichstellung gefordert. Wer demgegenüber anderer Meinung ist, wird abgewertet.
Und warum gibt es so wenig Studien über Männer, die lieber zu Hause wären, um sich um die Familie zu kümmern?
Weil die Männer historisch betrachtet weitgehend nur mit einer Rolle belegt waren. Wenn der Mann nicht Vollzeit arbeitet, wird er schräg angeschaut. Vielleicht ändert sich das jetzt.
In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Ihre Freundin reagierte, als sie die These in den Raum stellten, Frauen könnten heute leben, wie sie wollen: "Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!"
Mittlerweile verstehen wir uns wieder ganz gut. Aber wir haben uns so sehr ans Narrativ der armen, unterdrückten Frau gewöhnt, dass Widerspruch fast nicht möglich ist.
In Deutschland fördert das Bundesfamilienministerium eine Meldestelle für "antifeministisches" Verhalten. Keine Sorge, mit Ihrem Buch dort zu landen?
Ich habe mich dort sogar selbst gemeldet. Weil ich ja schreibe, dass ich zwar für Gleichberechtigung bin, aber nicht für Gleichstellung. Ich bin neugierig, was jetzt passiert.
Laut UNO-Frauenrechtskommission ist die Gleichstellung von Männern und Frauen "noch 300 Jahre entfernt". Was jetzt?
Männer und Frauen wollen anderes. Warum gleichmachen, was nicht gleich ist? Wir sollten versuchen, die Lebenszufriedenheit zu verbessern.