Sie werden als größte Pop-Hoffnung des Landes gefeiert, als Wunderkind tituliert. Dabei haben Sie erst 2019 versucht, selbst Lieder zu schreiben, stimmt das?
Oskar Haag: Ich habe mit drei Jahren ein Schlagzeug bekommen. Das hab ich in wenigen Tagen kaputtgedroschen gehabt. Ich hatte dann lange gar kein Interesse an Musik, nahm keinen Unterricht. 2019 habe ich meine erste Gitarre bekommen. Ich beschloss, Lieder zu schreiben. Die waren aber einfach scheiße. Richtig schlecht. Ich sagte mir dann: Ok, ich bin einfach nicht dafür geboren. Einige Monate später hab ich es dann aber noch einmal versucht. Und dann war es irgendwie gut.
Ihr erstes Konzert fand in der Wiener Karlskirche statt. Sie waren 15 Jahre alt. Danach kannte Sie gefühlt ganz Musik-Österreich. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück, wie überfordernd war das?
Da war ein Riesenandrang. Alle wollten etwas von mir. Manager, Labels, Booking-Firmen. Vieles hab ich gar nicht mitbekommen. Aber die haben sich bei meinem Vater gemeldet (Anmerkung: Oskar Haags Vater ist der Musiker Oliver Welter). Wir sind dann schnell zum Entschluss gekommen, ein eigenes Label zu gründen. Wir wollten nicht beim ersten Album zu einem Major. Das wäre dann doch ein bisschen zu viel für das Alter.
Sie schauspielern am Burgtheater, könnten als jüngster Künstler aller Zeiten den Amadeus Award gewinnen. Trotz des Trubels sind Sie bodenständig. Sie sind künstlerisch, aber nicht prätentiös.
Ich habe, Gott sei Dank, genau so viel Selbstvertrauen, dass es an der Grenze zur Arroganz ist. Aber ich bin nicht arrogant (lacht).
Wir leben in einer Zeit, in der Songs durch TikTok und Co. immer kürzer werden. Die Aufmerksamkeitsspanne sinkt. Und dann kommt plötzlich ein Teenager mit einem Album um die Ecke, das völlig aus der Zeit gefallen ist. Es sind ganze Songs, ruhige, fragile Stücke. Wieso funktioniert das?
Ich habe keine Ahnung, wieso das die Leute mögen. Vielleicht, weil es echt ist. Ich schreibe Songs nicht, so wie ich denke, dass sie gut ankommen. Sondern so, wie ich sie geil finde. Ich glaube, sein Publikum kann man nach wie vor damit erreichen, dass man authentisch bleibt. Das spüren die Menschen.
Pop funktioniert also auch ohne Fassade?
Ich glaube, wenn ein Song nur auf Gitarre und Stimme oder Stimme und Klavier heruntergebrochen funktioniert, ist er guter Pop. Viele Songs aus den Charts sind nicht mein Ding. Aber wenn ich sie auf der Gitarre nachspiele, merke ich: Das sind wahnsinnig schöne Lieder, mit irre guten Melodien, coolen Akkorden.
Bis heute konnte das niemand so gut wie die Beatles, Ihre Lieblingsband. Wären die Beatles heute noch gleich erfolgreich mit ihren Songs?
Ja. Aber die waren ihrer Zeit immer voraus. Wenn sie jetzt Musik machen würden, würden sie Sachen aufnehmen, die wir uns noch gar nicht vorstellen könnten. Heute denken wir, es gibt nichts mehr Neues zu erfinden. Aber die Beatles würden noch irgendwas finden.
Sie haben sogar eine Liste aller Songs der Band, vom besten bis zum schlechtesten, erstellt. Was ist da auf Platz eins?
"Yesterday".
Zurück zu Ihnen: Ihre Version des Pop entsteht im Kinderzimmer. Da knarzt es gewaltig. Keine Spur von Weichspüler.
In erster Linie will ich Leute berühren. Ich kann mich noch erinnern, wie ich meinem Papa den Song "Lady Sun and Mr. Moon" vorgespielt habe. Und er fragt mich entgeistert: "Alter, was rauscht denn da so? Das musst du noch einmal neu aufnehmen!" Und ich antwortete ihm: "Nein, auf keinen Fall. Genau das ist das Geile dran." Diese Art von Produktion kennt er halt nicht. So räudig wie nur möglich muss es klingen. So räudig wie nur möglich muss es klingen. Nur weil etwas nicht perfekt aufgenommen wird, heißt das nicht, dass es nicht wunderschön sein kann. Hans Zimmer meinte auch einmal, er wäre völlig überzeugt, man könnte einen Movie-Soundtrack auf dem iPad komponieren. Wenn man einfach Gefühl und Leidenschaft reinsteckt. Er hat auch gesagt, die besten Ideen kommen von einem Kind in den Bronx, das nicht die Möglichkeit hat, das Ganze richtig zu vertonen.
Ihr Album heißt "Teenage Lullabies", also "Wiegenlieder für Jugendliche". Braucht Ihre Generation Ruhe?
Ja, wir brauchen Ruhe. Die Angst der Jungen ist wahrscheinlich auch seit jeher ähnlich. Wir machen uns wahnsinnige Sorgen, ob wir mit dem, was wir tun, gerade irgendjemanden enttäuschen. Ob wir Dinge richtig machen. Und was die Zukunft für uns bereithält. Alles geht sehr schnell. Dadurch entsteht auch ein zweites Thema, das ich gerne in der Musik verarbeite. Das Entfliehen, Wegdenken. Der Albumtitel spiegelt das wider. Auf der einen Seite das Frühlingserwachen, die Neugier – also "Teenage"; auf der anderen Seite die Erschöpfung, die "Lullabies".
Was entgegnen Sie Menschen, die meinen, Sie seien viel zu jung, um wirklich über die großen Gefühle schreiben zu können?
Paul McCartney hat mit 21 Jahren "Yesterday" geschrieben. Das klingt auch nicht nach einem Song, der von einem 21-Jährigen geschrieben worden ist. Auch mit 17 bin ich seit fast drei Jahren in einer Beziehung. Wenn ich über etwas schreiben kann, ist es die Liebe. Natürlich sind die Erzählungen manchmal dramatischer verpackt. Das macht es schöner. Und man kann sich auch in Gefühle reindenken. Mir macht das sogar Spaß, mich in die Lebenslagen anderer hineinzuversetzen. Ich muss ja auch kein Mörder sein, um einen Krimi zu schreiben.
Gibt es überhaupt Unterschiede in den Gefühlswelten?
Ich glaube, junge Liebe ist schon noch etwas anderes. Die ist komplett unverbraucht. Aber prinzipiell glaube ich gar nicht, dass sich Gefühle zwischen den Generationen allzu sehr unterscheiden. Wir sind alle fühlende, menschliche Wesen. Das merke ich auch bei meinen Konzerten. Da sind in der ersten Reihe die 13- bis 14-Jährigen und weiter hinten auch 80-Jährige.