"Wir wollen mit dem Blick der Zukunft auf die Gegenwart schauen." Biennale-Präsident Roberto Cicutto hat für "Das Labor der Zukunft" – so der Titel der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig – vorsorglich neue Standards gesetzt: Sämtliche Events der Ausstellung vom 20. Mai bis 26. November 2023 werden Nachhaltigkeits-zertifizert CO₂-arm vonstattengehen. Architektur und Klimawandel sind die großen Themen der diesjährigen Biennale. "Erstmals fällt das Schlaglicht auf Afrika und die afrikanische Diaspora", hob die ghanaisch-schottische Architektin und Kuratorin Lesley Lokko das zentrale Anliegen bei der Vorstellung im Palazzo Ca´Giustinian vor 100 Gästen und Medienleuten hervor. "Besonders in der Architektur war die dominante Stimme historisch eine einzeln, exklusive Stimme, deren Macht weite Teile der Menschheit ignoriert."
Kuratorin als "Agentin des Wandels"
Dem setzt Lokko als "Agentin des Wandels" eine Architekturbiennale "der Dekolonialisierung und der Dekarbonisierung" entgegen, bei der von 89 Teilnehmerinnen und Teilnehmern mehr als die Hälfte aus Afrika kommen oder afrikanische Wurzeln haben, bei einer Genderquote von 50 Prozent. Geballt wird man afrikanische Architektur im zentralen Pavillon in den Gardini sowie in den Arsenale sehen, mit "Special Projects" der Kuratorin und jungen "Gästen der Zukunft" auch in Forte Marghera. Für ein vierwöchiges Biennale College wurden aus 986 Bewerbungen 50 Studentinnen und Studenten ausgewählt. Unter den 63 teilnehmenden Ländern stellen erstmals auch Niger und Panama aus.
Österreichs Plan abgelehnt
Österreichs Beitrag auf der Architekturbiennale 2023 sorgte bereits gestern am Rande der großen Auftritte von Präsident und Kuratorin für Aufmerksamkeit. Vor der Ca`Giustinian im Herzen San Marcos verteilten Mitglieder des Architektenkollektivs AKT Flugblätter, auf denen sie für ihr Projekt "Partecipazione/Beteiligung" warben, mit dem sie auch in Österreich für die Teilnahme ausgewählt worden waren. Ursprünglich hatten AKT und der Wiener Architekt Hermann Czech gemeinsam geplant, beim Österreich-Pavillon die Mauer der Biennale zur angrenzenden Insel Sant´Elena zu durchbrechen und den halben Pavillon der Bevölkerung Venedigs zur Verfügung zu stellen. "Das hat allerdings die Biennale in einem Gespräch mit uns abgelehnt, unter anderem, weil das auf öffentlichem Grund nicht möglich sei", erklärte AKT-Mitglied Philipp Oberthaler.
Nun werben für Ersatzvariante
Als Ersatzvariante hat man nun der Biennale vorgeschlagen, die Mauer mit Stiegen und einer Brücke zu überwinden, eine Antwort steht noch aus. "Wir wollen die eine Hälfte des Pavillons zugänglich machen für die Bevölkerung und für Initiativen, mit denen wir seit fast zwei Jahren zusammenarbeiten, um eine Diskussion über die Rolle der Biennale in der Stadt führen zu können", erklärt Gerhard Flora, ebenfalls AKT. Hintergrund ist eine seit Jahren zwischen Zivilgesellschaft und Stadtgemeinde geführte Auseinandersetzung über Nutzung, Aufteilung und Lizenzen der Flächen und Gebäude der Biennale, von den Arsenale bis zu den Giardini. Das Gelände, an dem auch die angrenzende Marineschule Gründe besitzt, wünschen sich Aktivistengruppe wie das "Forum Futuro Arsenale" oder "Biennale Urbana" als Arbeits-, Wohn- und Kulturraum weiterentwickelt für die mittlerweile weniger als 50.000 Bewohner des historischen Zentrums von Venedig. Sollte die Biennale auch die Brücke statt des Mauerdurchbruchs nicht genehmigen, werde man in der für die Venezianer gedachten Hälfte das zeigen, was man auch in der Biennale-Hälfte des Pavillons präsentiert. Oberthaler: "Wir dokumentieren die Initiativen der Zivilgruppen und den Verlauf unseres Projekts dazu."