Was für ein literarischer Weitsprung! Oder besser: Was für eine grandiose Rückwärtsrolle! Und Michael Köhlmeier ist sicher auf den „Pfoten“ gelandet. Zuvor, 2021, der epische knapp 1000-Seiten-Brocken „Matou“, in dem der titelgebende Kater erzählend von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart tigert. Und jetzt, als fast minimalistsches Gegenstück, der neue Roman „Frankie“: nur rund 200 Seiten lang, kein Wort zu viel, und die Story stürmisch, sardonisch, stringent.

Köhlmeier erzählt vom 14 Jahre alten Frank, der das „ie“ hinter seinem Vornamen ebenso schroff ablehnt wie den Großvater, der nach 18 Jahren aus dem Gefängnis kommt und wie eine Naturgewalt in das Leben des Jugendlichen und dessen alleinerziehender Mutter einbricht.
„Am Dienstag haben sie Opa entlassen.“

Mit diesem Satz, den er schon lange im Kopf gehabt habe, beginnt Köhlmeier den Roman, der im Grunde eine Erzählung ist. Keine Abzweigungen, keine Nebenschauplätze, keine intellektuelle Überfrachtung, an der dieser Schriftsteller mitunter laboriert. „Es ist die alte Geschichte von der Schönen und dem Biest, von der Unschuld und der Verführung“, sagt Köhlmeier.

Es ist auch eine Geschichte über Schuld und Verantwortung und darüber, wie leicht ein unscheinbares, aber scheinbar geordnetes Leben aus der Balance zu bringen und wie machtlos man gegen die Winkelzüge des Schicksals ist. Köhlmeier erzählt aus der Sicht des 14-Jährigen, begibt sich auf dessen sprachliche Augenhöhe, ohne dafür devot in die Knie zu gehen.

Dieser Großvater, dessen Verbrechen im Dunkeln bleibt, ist weder lieb noch geläutert, sein rücksichtsloses Verhalten changiert zwischen Schrulligkeit, Hilflosigkeit, Machismo und unverhohlener Gefährlichkeit. Köhlmeier erteilt jedweder pädagogischen Opa-Enkel-Romantik eine Absage. Langsam, Gegenwehr ist zwecklos, wird Frankie von der giftigen Gedankenwelt des 70-Jährigen indoktriniert; langsam sickern Häfnfatalismus und -nihilismus des wütenden, alten Mannes, der sich gerne als eine Art verruchter „Dirty Harry“ inszeniert, in das noch ungeformte Dasein des Jungen ein und wirft es vollends aus der Bahn.

„Frankie“ ist zart-herbe Coming-of-Age-Story, brüchiger Familienroman, rasantes Roadmovie, und am Ende kommt es fast zwangsläufig zum Showdown. Doch mehr wird hier nicht verraten, denn dieses Buch ist auch ein spannungsgeladener Thriller auf hohem Noir-Niveau. Aber vor allem ist „Frankie“ eine Geschichte darüber, wie schnell die Freiheit des einen in die Unfreiheit des anderen münden kann.

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Buchtipp: Michael Köhlmeier. Frankie. Hanser, 206 Seiten, 24,70 Euro.