Es sind Abziehbilder von Klischees, die Regisseurin Lucia Bihler für die Dramatisierung von Maria Lazars Roman "Die Eingeborenen von Maria Blut" auf die von einer überdimensionalen Madonnenfigur dominierte Bühne des Akademietheaters (Jessica Rockstroh) hebt – Versatzstücke einer Atmosphäre zwischen Frömmelei und Faschismus, die in der österreichischen Literatur oft zu finden sind. Alles schon bekannt, alles schon erzählt? Ja, aber noch nicht so.
Die Szenenfolge aus kurzen Dialogen und unterschiedlichsten Akteuren erinnert an "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus und ließe sich als Hörspiel lesen. Durch die Aufsplittung in konkrete Personen, abstrahiert in Latex und Lederhosen (Kostüme: Victoria Behr), Figuren mit übergroßen Puppenköpfen, die Sebastian Kurz ähnlich sehen (Mats Süthoff), Sprechern am Bühnenrand (die an die Kabarettisten Maschek denken lassen), erhält das Geraune und Getratsche in Maria Blut eine bedrohliche Vielstimmigkeit.
Beeindruckend ist die Leistung der Schauspieler (allen voran Philipp Hauß, Robert Reinagl, Dorothee Hartinger, Stefanie Dvorak), die im Handumdrehen die Rollen wechseln, einmal Puppe, dann Souffleur und in der nächsten Szene schon Akteurin sind. Charmant die österreichische Klangfärbung, die auch jede Nazi-Diktion harmlos klingen lässt. Obwohl teilweise zu plakativ in Szene gesetzt (Hitlergruß am Ende) beeindruckt der starke Text.
"Es wird einer kommen, der wird zu was führen", warnte die expressionistische Autorin 1935. Am Ende wird die Madonna von Bühnenarbeitern demontiert, bevor sich "die Eingeborenen" eine neue Heiligenfigur zurechtbasteln. Eine kleinere, etwas zerzauste halt.
Karin Waldner-Petutschnig