Sie fürchtet, zu den Fällen zu zählen, die nicht mehr zu heilen sind – "irreparabel" zu sein. Die nach Folter und Vergewaltigung in den Kellern der Staatsdiktatur schwer traumatisierte Paulina überspielt anfangs ihre Versehrtheit, tänzelt zu Beginn des Psychodramas "Der Tod und das Mädchen" mit Sektglas und Nachthemdchen im Wohnzimmer ihres Landhauses um ihren Mann Gerardo. Er, der aufstrebende Jurist, der in der jungen Demokratie mit der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit betraut ist, bittet wenig später eine Zufallsbekanntschaft ins Haus. Doktor Mirandas Auftritt in der stringenten Inszenierung von Mira Stadler ist bezeichnend: Viril und ein wenig lässig hat er sich den Autoreifen auf die Schulter gehievt, der Anlass für eine Panne gewesen ist, bei der sich die beiden Männer kennengelernt haben. Paulina hört nur die Stimme des nächtlichen Besuchers – und glaubt in ihm ihren Folterknecht von einst zu erkennen.
Karin Waldner-Petutschnig