Die Albertina hat im Vorjahr fast wieder die Marke von einer Million Besuchern erreicht. Von den rund 970.000 Kunstinteressierten wurden allerdings an die 220.000 in der Dependance Albertina modern gezählt, weswegen man noch ein Stück weit von den Zahlen der Rekordjahre 2017-19 entfernt sei, präzisierte Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder im Gespräch mit der APA. Doch nach den Einbußen der Pandemie-Krisenjahre stehen die Zeichen erstmals wieder auf Entspannung.
Den Jahresverlust zwischen zwei und 2,5 Mio. Euro könne man noch aus Rücklagen decken, so Schröder. "Unsere Liquidität ist jedoch rasant dahingeschmolzen. Unsere Reserven waren zweistellig." Heuer werde sich dank der versprochenen Anhebung der Basisabgeltung um drei Millionen Euro voraussichtlich wieder eine schwarze Null ausgehen. Die stark gestiegenen Energiekosten habe man durch umfassende Einsparungsmaßnahmen wenigstens teilweise einfangen können, die erhöhten Personalkosten sind mit einem Plus von acht Prozent oder einer Million Euro zusätzlich kalkuliert. Darunter befinden sich auch Mehrkosten für ein Dutzend neuer Mitarbeiter, die nun zusätzlich zur Kontrolle der Besucher abgestellt sind. Auf Klimaaktivisten und -aktivistinnen ist Schröder nicht gut zu sprechen.
Nachdem eine rigorose Garderobepflicht bald an die Kapazitätsgrenzen der entsprechenden Bereiche gestoßen ist, werden bei den derzeit täglichen 5000 bis 7000 Besuchern alle Taschen gründlich untersucht – "eine Maßnahme, die auf großes Verständnis gestoßen ist". Dass sich Klimaschützer an Straßen kleben oder das Schutzglas vor Kunstwerken besprühen, habe dagegen keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung, ist Schröder überzeugt. Das Bewusstsein für die Klimakrise sei mittlerweile Allgemeingut: "Um dieses zu erzeugen, muss ich mich nirgendwo ankleben", so der Museumschef, dem in seiner Funktion als Generaldirektor der Albertina die Gefährdung von Kunstwerken durch solche Aktionen deutlich mehr Sorgen bereitet als die Klimakrise selbst, die er nur sehr bedingt beeinflussen könne. "Wäre es anders, wäre ich wohl auf dem falschen Posten."
Dort, wo er selbst handeln könne, habe er agiert, sagt Schröder. Die Albertina hat ihren Energieverbrauch drastisch gedrosselt, er selbst fahre bei jedem Wetter Fahrrad und sei damit in der Stadt zudem unübertroffen schnell unterwegs. Für den ganzen großen Rest an notwendigen Maßnahmen hoffe er auf "die Innovationskraft des Menschen" und ein Umdenken von Konsumenten, die damit auch die Wirtschaft zu einer Kursänderung hin zu umweltfreundlichen und klimaschonenden Produkten bringen könnten. Nein, ein Freund von SUVs ist der Kunsthistoriker und Museumsmanager nicht, aber auch keiner von Protestaktionen zum Aufrütteln von Politik und Bevölkerung.
Zur größten Überraschung des vergangenen Albertina-Ausstellungsjahres wurde die am Wochenende zu Ende gegangene Basquiat-Schau, die mit 360.000 Besuchern "unsere Erwartungen weit übertroffen" hat. "Wir haben damit Publikumsschichten erreicht, die wir noch nie in der Albertina gesehen haben. Das ist uns Ansporn, Diversität auch in der Sammlung und in den Ausstellungen auszuweiten." Der in der Vergangenheit weitgehend männlich und europäisch dominierte Blick soll sich in jeder Hinsicht verändern. Deutlichstes Beispiel ist die für Herbst in der Albertina Modern geplante Ausstellung mit dem Arbeitstitel "DIVERSITY in Sex, Race & Gender", die u. a. Arbeiten des franko-senegalesischen Künstlers Alexandre Diop oder des aus Ghana stammenden Malers Amoako Boafo zeigen, aber auch Vielfalt in der Materialwahl behandeln soll.
Ungewöhnlich ist auch das Konzept einer Ausstellung, die sich ausschließlich jener zeitgenössischen Kunst widmen wird, die von Sammlungsgründer Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen erworben wurde und den Zeitraum von 1770 bis 1820 umfassen wird. Gezeigt wird dabei auch, dass das Sammlungsinteresse nur den monumentalen Formaten, nicht aber den Vorzeichnungen galt. Und die deutsche Künstlerin Katharina Grosse wird im Herbst in der gesamten Pfeilerhalle "ein einziges großes malerisches Environment, eine Farb-Raum-Komposition" schaffen, für das bereits jetzt in Neuseeland Vorarbeiten entstehen und dessen Fertigstellung innerhalb von drei Wochen vor Ort passieren wird.
Wertvolle neue Schenkungen werden u. a. in Ausstellungen zu Pablo Picasso, Alex Katz, Georg Baselitz oder des US-Fotografen Joel Sternfeld integriert, internationale Künstler wie der Bildhauer Ofer Lellouche ("Der Giacometti Israels") oder der von der Manga-Ästhetik geprägte Japaner Yoshitomo Nara sind 2023 ebenso vertreten wie die aus Österreich stammenden VALIE EXPORT und Gottfried Helnwein.
2023 ist ein Jubiläumsjahr für die Albertina. Gefeiert werden die ersten zwei Dezennien seit der umfassenden Renovierung und Erweiterung, mit der die Ausstellungsfläche von 2000 Quadratmeter auf heute über 28.000 und die jährliche Besucherzahl von 10 bis 15.000 auf eine Million vergrößert wurde. Gestartet wird das Jahr aber mit einem erstmaligen "Duett" (Schröder) von Albertina und Albertina modern, das sich den "Masters of Printmaking" widmen und dabei in einem "Gesamtklang" die Entwicklung der Druckgrafik von Dürer bis in die Gegenwart zeigen wird. Schröder: "Dass die Albertina das aus eigenen Beständen darstellen kann, macht mich besonders stolz."