Das Bild ging um die Welt: die berühmten Sonnenblumen von Vincent van Gogh in der Londoner National Gallery, beschmiert mit Paradeisersuppe aus der Dose, davor zwei junge Frauen, die Hände festgeklebt an der Wand. Der Suppenwurf der Klimaaktivistinnen der Gruppe Just Stop Oil ist zum Symbol geworden für eine Bewegung, die in Zeiten der sich zuspitzenden Krisen nach Aufmerksamkeit sucht. Zwei Frauen wird nun in London der Prozess gemacht.

Vor dem Southwark Crown Court wiesen die Frauen, während der Tat im vergangenen Oktober 20 und 21 Jahre alt, am Montag den Vorwurf der Sachbeschädigung von sich. Beide plädierten auf nicht schuldig, wie das Gericht auf Anfrage mitteilte. Die National Gallery hatte nach der Aktion mitgeteilt, nur der Rahmen sei beschädigt worden, das Bild selbst – mit einem Schätzwert von umgerechnet rund 84 Millionen Euro – sei durch Glas geschützt gewesen. Wenige Stunden nach der Attacke hing das Gemälde bereits wieder an der Museumswand, als sei nichts gewesen. Der Gerichtsprozess soll wegen eines enormen Rückstaus in der britischen Justiz erst Mitte 2024 beginnen.

Für Just Stop Oil ist die Sache klar: "Der Richter sollte den Fall abweisen." Dass die britische Regierung entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationalen Vereinbarungen Lizenzen für neue Öl- und Gasfelder vergebe, zeige, "dass wir keinen funktionierenden Staat haben und die Angeklagten handeln, um die Gesellschaft, den britischen Staat und die Millionen zu schützen, die bereits von gefährlichen Extremwetterereignissen betroffen sind", heißt es von der Gruppe. Andere Just-Stop-Oil-Mitglieder sind bereits ins Gefängnis gewandert.

Die suppenversehrten Sonnenblumen inspirierten ähnliche Aktionen in aller Welt: In Potsdam flog Kartoffelbrei, in Wien Öl, in Kanada Ahornsirup auf Gemälde. Das Narrativ ist immer dasselbe: Wieso alte Kulturgüter und Naturdarstellungen schützen, aber die Natur selbst zerstören? Doch das öffentliche Echo fiel oft negativ aus. Auch Menschen, die Klimaschutz befürworten, kritisierten die Aktionen und fürchteten Abwehrreaktionen oder eine Spaltung zwischen Kulturbranche und Klimaschützern. Wieder andere bemängeln, es würde nur über das Für und Wider der Aktionen, nicht über die Klimakrise geredet.

"Das ist definitiv ein Risiko", hält der Protestforscher James Ozden vom Social Change Lab im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur fest. Allerdings seien die Aktivisten erfolgreich damit, überhaupt Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Selbst wenn sich nur ein Zehntel der Debatte um die Herausforderungen des Klimawandels drehe, sei das mehr als bei oft übersehenen Straßenprotesten.

Der Forscher zieht bei den Kunstprotesten eine Parallele zu Blockaden von Autobahnen. "Jeder hasst das", meint Ozden. Dennoch fand seine Denkfabrik bei einer Befragung von rund 1.400 Britinnen und Briten im vergangenen November heraus, dass die Just-Stop-Oil-Blockaden der Londoner Ringautobahn M 25 die Zustimmung der Befragten zu tatsächlichen Klimaschutzmaßnahmen nicht schmälerten. Stattdessen stellte Ozden eine leicht höhere Zustimmung zu Klimaaktivismus fest – allerdings eher für moderatere Gruppen als für Just Stop Oil selbst.

Just Stop Oil fordert von der Regierung in London ein sofortiges Ende der Vergabe neuer Lizenzen zur Förderung von Öl und Gas. Die aktuelle britische Regierung bekennt sich zwar weiterhin zum Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 und zum international vereinbarten 1,5-Grad-Ziel. Dennoch treibt London die Förderung fossiler Energien weiter voran, obwohl sich dies Wissenschaftlern zufolge widerspricht.

Während die früher ebenfalls für ihre radikalen Taktiken bekannte Organisation Extinction Rebellion kürzlich verkündete, in Großbritannien keine Störaktionen mehr veranstalten zu wollen, will Just Stop Oil damit weitermachen. "Störungen und ziviler Widerstand sind oft unpopulär, wenn sie sich entfalten – erst in den folgenden Jahren blicken die Menschen zurück und verstehen, dass die Aktionen notwendig und gerechtfertigt waren", heißt es von der Gruppe – weitere Suppenwürfe also nicht ausgeschlossen.

Die National Gallery und andere britische Museen wollen nicht verraten, ob sie sich künftig stärker vor Suppen, Kleber und ähnlichen Gefahren schützen wollen. Über Sicherheitsvorkehrungen mache man grundsätzlich keine Angaben, hieß es auf Anfrage.