In einem unscheinbaren Gebäude hinter der Häuserfront am Beginn der Wiener Straße, eingeklemmt zwischen für das Neubaugebiet nördlich des Lendplatzes typischen Wohnblocks, befindet sich die Schell Collection. Benannt ist die rund 14.000 Exponate umfassende Sammlung aus unterschiedlichsten Objekten rund um die Themen Schlüssel, Versperrbares und Eisen nach dem Grazer Sammler, Unternehmer und Bergsteiger Hanns Schell, der gemeinsam mit einer Handvoll Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als 84-Jähriger auch heute noch sein wohl einzigartiges Privatmuseum betreut.
Begonnen hat alles mit dem Einstieg Schells in das Geschäft seines Vaters, der Anfang der 1960er-Jahre das Eisenwarengeschäft der Firma Odörfer an der Ecke Belgiergasse/Griesgasse leitete. Es war der Auslagendekorateur der Firma, der vor rund zehn Jahren verstorbene Albert Berger, der Hanns Schell Junior mit seiner Begeisterung für schöne Objekte aus dem Bereich Schlösser und Schlüssel ansteckte. 1965 brachte Hanns Schell die dann ersten kunstvoll gefertigten Vorhangschlösser von einer Bergsteiger-Reise mit, die er auf Bazaren in Teheran und Isfahan erstanden hatte.
Und so wuchs die Sammlung über die Jahrzehnte. Ursprünglich in einem kleinen Raum im zweiten Stock des Odörfer-Ladens in der Griesgasse untergebracht, musste bald ein eigener Standort für das „Schlüsselmuseum“ gefunden werden. Nach und nach umfasste die Sammlerleidenschaft Schells nicht nur Schlüssel und Schlösser sondern alles Versperrbare, wie Truhen, Kästchen, Panzerschränke, zudem Eisenkunstguss, Zunftzeichen und schmiedeeiserne Objekte. 1992 erfolgte schließlich der Neubau des Museums dort, wo es sich heute befindet.
Doch auch dieses auf drei Stockwerke und 2500 Quadratmeter verteilte Domizil der Schell’schen Sammlung platzt inzwischen aus allen Nähten. Ein Grund dafür ist jene umfangreiche Sammlung ethnologischer Objekte mit Schwerpunkt Afrika und Asien, die Schell bereits 2007 von dem Tiroler Fotografen, Autor und Kunstsammler Gert Chesi erwarb und die seither in einem Lager südlich von Graz vor sich hindämmert – abgesehen von einigen wenigen Exponaten im dritten Stock der Schell Collection, wo verschiedene versperrbare und sperrende Objekte aus Afrika und Asien ausgestellt sind. Ein bisschen etwas davon befindet sich auch im Partnermuseum der Schell Collection, dem „Museum der Völker“ in Schwaz in Tirol.
Ringen um ein zweites Museum
Schell bemüht sich seit Jahren und bisher vergeblich um die Errichtung eines zweiten Museums in Graz, um dort exklusiv die Chesi-Sammlung präsentieren zu können. Ein derartiges Museum wäre ein „unglaublicher Gewinn“ für Graz, ist Schell überzeugt. Er hofft, dass sich seine Söhne und Enkel in Zukunft weiter um sein Lebenswerk kümmern werden. Apropos Lebenswerk: Im Aufgang zum dritten Stock befindet sich auch eine kleine Schautafel-Ausstellung, die sich mit Schells Alpinistenleben beschäftigt.
Schell räumt selbst ein, ein Getriebener zu sein: „Ich habe einen Bewahrungswahn“, sagt er bei einem Rundgang durch sein Museum. „Ich will, dass diese Dinge für die Nachwelt erhalten bleiben.“ Seine ungebrochene Begeisterung ist ihm stets anzumerken, denn praktisch zu jedem einzelnen Exponat weiß er eine Geschichte zu erzählen. Da ist zum Beispiel unter anderen Kuriosa die zu einem Dietrich umfunktionierte Gabel, mit der angeblich ein Häftling versucht hat, aus dem Gefängnis auszubrechen. Da gibt es Prunkstücke wie die von Schell in den 1970er-Jahren in London ersteigerte, Straßburger Eisentruhe aus der Sammlung der Familie Rothschild, die gleich nach dem Eingang in das Museum in einem eigenen Raum ausgestellt ist. Da sind Sargschlüssel, Wikingerschlüssel, Römerschlüssel, so genannte Witwerschlüssel, die sich früher Männer nach dem Tod ihrer Gemahlin an die Uhrkette hängten, um zu signalisieren, dass sie wieder zu haben sind, denn Tinder & Co gab es ja noch nicht.
Gnadenschlüsseln
Besonders stolz ist Schell auf eine lückenlose Sammlung von sogenannten „Gnadenschlüsseln“ des Stiftes Rein, die seit Ende des 16. Jahrhunderts jährlich am Weißen Sonntag (eine Woche nach dem Ostersonntag) an Wallfahrer ausgegeben werden.
Besonderes Interesse von jüngeren und älteren Besuchern gilt jedoch in der Regel den Keuschheitsgürteln, denen die Schell Collection sogar einmal eine Lange Nacht der Museen gewidmet hat. „Das war unsere erfolgreichste“, fügt Schell mit einem Anflug von Bedauern hinzu.
Andreas Stangl