Noch ist die Finanzierung des ORF nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur zu schließenden Streaminglücke ab 2024 "total offen". Das betonten ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger und Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger bei einer "Politik am Ring"-Diskussion am Montagabend. Zugleich bezeichnete Blimlinger eine erweiterte GIS "angesichts der Geräte" als "eigentlich nicht möglich". Ist dem so, wären noch eine Haushaltsabgabe oder Bundesbudgetfinanzierung im Rennen.
Auf APA-Anfrage konkretisierte Blimlinger ihre Aussage bisher nicht. Jedoch sieht das Erkenntnis des VfGH vor, dass künftig auch die ausschließliche Streamingnutzung von ORF-Angeboten kostenpflichtig zu sein hat. Damit wären im Falle einer erweiterten GIS wohl auch Geräte wie Laptops gebührenpflichtig. Die Entscheidung, bei welchen Geräten jedoch die Grenze zu ziehen ist, dürfte schwierig sein. Zur Haushaltsabgabe gab Blimlinger zu Bedenken, dass derzeit im Rahmen der GIS auch die Bundesländer etwa Geld für Kunst- und Kulturförderung erhalten. "Man muss schauen, wie diese Förderung beibehalten werden könnte", so die Grünen-Mediensprecherin. Im Falle einer Bundesbudgetfinanzierung betonte sie, dass diese ihrer Vorstellung nach indexiert und mit Zweidrittelmehrheit abgesichert sein müsste. Der ORF müsste im Falle dieser Variante seinen Finanzbedarf an die KommAustria melden, die in der Folge eine Bewertung vornimmt, so Blimlinger.
Egger sagte, dass man sich "in den nächsten Wochen" dem VfGH-Erkenntnis annehme. Dabei werde auch die angekündigte ORF-Digitalisierungsnovelle Thema sein. Eine Gremienreform - Stichwort Entpolitisierung des ORF-Stiftungsrats - sei aber "kein Thema, weil wir andere Aufgaben zu lösen haben". Erst wenn die Finanzierung und Digitalisierungsnovelle erledigt seien, schaue man weiter.
Christian Drobits, SPÖ-Mitglied im Verfassungsausschuss, meinte, die Unabhängigkeit des ORF müsse mit der Finanzierung gesichert sein, doch hätte die Bevölkerung derzeit andere Probleme wie etwa die Teuerung. "Alles was teurer wird, ist mit uns nicht zu machen." Derzeit erhält der ORF rund 660 Millionen Euro aus dem Programmentgelt.
Thema der Diskussion war auch das präsentierte Gesetzespaket der Regierung zur "Wiener Zeitung", verschärften Transparenzbestimmungen bei der Inseratenvergabe und die neue Qualitätsjournalismusförderung. "Verlogenheit" sei die "größte Schwäche" des Paktes, konstatierte die Journalistin Anneliese Rohrer. Sie sei fasziniert von der Tatsache, dass man sich getraut habe, die "Verachtung der Politik gegenüber dem Journalismus in Formulierungen zu gießen und stolz zu präsentieren". "Was mit der 'Wiener Zeitung' passieren soll, ist der Beweis, dass man keinen unabhängigen Journalismus will", so Rohrer.
Der Gesetzesentwurf zur "Wiener Zeitung" sieht vor, dass sie künftig primär online erscheinen soll und nur nach Maßgabe der finanziellen Mittel auch in Printform - wohl als Monatszeitung. Gleichzeitig soll bei der republikseigenen Wiener Zeitung GmbH mit einem "Media Hub Austria" die journalistische Aus- und Weiterbildung ausgebaut werden. "Mit der Verstaatlichung der Journalismusausbildung marschiert man komplett in die falsche Richtung", meinte fjum-Geschäftsführer Simon Kravagna. Auch die Redaktion der "Wiener Zeitung" sprach sich im Rahmen einer Versammlung jüngst einstimmig für eine Resolution aus, die die Zurückstellung des Gesetzes und ein Moratorium für eine zukunftsweisende Lösung fordert.
"Mir tut es weh, wenn dieses Paket, das wir präsentiert haben, von der Diskussion über eine einzige Zeitung überlagert wird und die journalistische Unabhängigkeit ausschließlich über dieses Medium definiert wird", sagte ÖVP-Mediensprecher Egger. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich Bundeskanzler oder Minister in die Journalistenausbildung einmischen würden. Blimlinger meinte, es handle sich um ein Medium, "das kaum gekauft und gelesen wird". Dass man anhand diesem den Qualitätsjournalismus und den Medienpluralismus gefährdet sieht, wundere sie "schon sehr".