Nofretete trägt lila Lidschatten. Und einen ausgeprägten Silberblick. Der deutsche Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann, der schon Karl Marx schielen ließ und Michelangelos David knallbunt angemalt hat, unterläuft mit dem Look, den er der altägyptischen Königin verpasst hat, verschmitzt die Bewunderungsroutinen zwischen Objekt und Betrachter. Ab Oktober kommenden Jahres ist die berühmte Büste in Graz zu sehen – im Rahmen der Ausstellung "Ernsthaft?" in der Neuen Galerie, die sich, so der Untertitel, mit "Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst" befasst.
Die in Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle Bonn, den Deichtorhallen Hamburg und der Halle für Kunst Steiermark erstellte Ausstellung zeigt Kunst jenseits der Ernsthaftigkeit; nicht zuletzt, weil "eine leichte humoristische Verstörung in verstörenden Zeiten durchaus ein gutes Gegengift" sei, wie der Berliner Ausstellungskurator Jörg Heisler unlängst bei der Eröffnung in Bonn feststellte. Hat er recht, muss die Schau ja wohl ein Renner werden.
Den kann das Universalmuseum Joanneum auch brauchen, immerhin gilt es einen heuer selbst aufgestellten Rekord zu schlagen: Mit ziemlicher Gewissheit wird Österreichs ältestes und zweitgrößtes Museum 2022 erstmals in seiner 211-jährigen Geschichte mehr als eine Million Besuche verzeichnen. Eine steile Vorlage für den neuen Museumschef Marko Mele, der ab 1. Jänner das bisherige Führungsduo Wolfgang Muchitsch und Alexia Getzinger ablöst (deren Nachfolge für die kaufmännische Leitung ist, wie berichtet, nochmals ausgeschrieben).
Eine Million Besuche im Jahr 2022
Zum Erfolg 2022 haben die Eingliederung von Freilichtmuseum Stübing und Tierpark Herberstein beigetragen. Sowie der Gratis-Eintritt für alle unter 19 Jahren, 12.000 verkaufte Jahrestickets und, wie Muchitsch berichtete, 700.000 Euro Mehreinnahmen als budgetiert. Für nächstes Jahr tut sich dennoch eine Budgetlücke von 2,6 Millionen Euro auf. Rund 30 Sonderausstellungen sollen sich an den 14 Standorten dennoch ausgehen. In der Neuen Galerie nebst "Ernsthaft?" auch eine dem Biedermeiermaler Franz Steinfeld gewidmete Schau (ab 4. Mai). Sonderschauen im Bruseum widmen sich der ersten umfangreichen Personale des Künstlers Johann Rausch (ab 19. Oktober) und endlich: Anna Brus, der Ehefrau des Aktionisten Günter Brus. Nicht nur als Muse, sondern auch als Co-Akteurin, Kritikerin, eigenständige Künstlerin gebührt ihr wohl ein eigener Platz in der jüngeren Kunstgeschichte (ab 30. März).
Steirischen "Wendezeiten" widmet sich ab März das Museum für Geschichte. An drei historischen Zäsuren – dem Beginn der Feudalherrschaft im 8. Jahrhundert, der Klimaveränderung der "Kleinen Eiszeit" im 13. Jahrhundert, der Aufklärung im 17. Jahrhundert – werden die Treiberfaktoren gesellschaftlichen Wandels untersucht. Nach dem Ausstellungsbesuch, hofft Museumschefin Bettina Habsburg, "sollte auch der Blick auf die Gegenwart klarer sein." Dazu wird sich die Hofgalerie des Hauses dem "Sound of St. Lambrecht" (ab 12. Jänner) und den "Klauberfrauen" in den Sortieranlagen des Erzbergs widmen (ab 29. Juni).
Auf Gesellschaftsrelevantes fokussiert auch das Volkskundemuseum: "Identity on the Line" untersucht ab 2. Februar Fragen von Migration und Identitätsbildung, "Jetzt im Recht!" ab 31. Mai die verschlungenen Wege zur Gleichbehandlung, "Schaulust!" der im Zuge der Pandemie wieder angesprungenen Pornografiedebatte. In Stübing geht es in "Mit und ohne Strom" um Alltag jenseits der Elektrizität – spannend nicht nur vor der Drohung eines Blackouts.
Präsenz in der Hauptstadt
Weitere Höhepunkte: das historische Schaubergwerk des Center of Science Activities CoSA wird zum "Escape-Room", die Naturkunde widmet sich den "Sporen", das Rosegger-Museum in Krieglach den Netzwerken des Dichters, Flavia Solva der Kulinarik der Römerzeit. Die nächste "Steiermark Schau" in Herberstein erzählt, wie berichtet, von der "Vielfalt des Lebens"; Landeshauptmann Christopher Drexler will mit dem ökologisch fokussierten Projekt auch in Wien Präsenz demonstrieren. Im Vorjahr musste der bereits in Wien aufgebaute mobile Pavillon der ersten "Steiermark Schau" lockdownhalber geschlossen bleiben, diesmal sollen sich jedenfalls auch in der Hauptstadt "die Kapazitäten und die Expertise des UMJ zeigen".
Und: Der Österreichische Skulpturenpark und das Grazer Kunsthaus begehen 2023 ihre ersten 20 Jahre. Kunsthaus-Chefin Andreja Hribernik präsentiert ihr erstes Jahresprogramm im Jänner.
Ute Baumhackl