"Für mich ist dieser Beruf in erster Linie Arbeit und nicht der Weg zum Starruhm. Wenn man 100 Prozent erreicht, ist man genial, ich sage immer: 60, 70 Prozent sollten es sein und das billige ich mir zu. Das ist meine Genügsamkeit und das ist, was ich erreichen wollte: ein Werkstück, eine Arbeit so weit zu vollenden, wie ich es vermag", sagte Karl Merkatz einmal in einem Interview mit der Kleinen Zeitung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Schauspieler, der am 4. Dezember kurz nach seinem 92. Geburtstag in seinem Haus in Irrsdorf (Salzburg-Land) gestorben ist, längst Filmgeschichte geschrieben: Als Fleischhauer Karl Bockerer und als Elektriker "Mundl" Sackbauer in der TV-Serie "Ein echter Wiener geht nicht unter" hatte sich Merkatz in das kollektive Gedächtnis der Nation eingeschrieben mit zwei Figuren, die viel über die Kriegs- und Nachkriegszeit in Österreich zu erzählen hatten. Unvergessen ist, wie der widerborstige Bockerer zu Ehren von Hitlers Geburtstag einen Sauschädel in die Auslage legt, legendär die Szene, in der "Mundl" in der Silvesternacht eine Rakete ins Fenster des Nachbarn schießt.
Dabei wollte er diesen "Mundl" gar nicht spielen: "Er war mir einfach zu derb", erzählte Merkatz in seiner Autobiografie "So bin ich" (Styria-Verlag). Später wurde der cholerische Proletarier sein Markenzeichen und Sprüche wie "Hearst, Trottel, deppata!" oder "Kriegst a Watschn, dass da 14 Tog da Schädl wockelt!" praktisch "salonfähig".
Schauspieler wollte der gebürtige Wiener Neustädter schon werden, als er Kasperl- und später Laientheater im Keller einer Kirche spielte. Aber die Eltern, ein Werkzeugmacher und eine Weberin, wollten für den Sohn etwas "Handfestes", die Schauspielerei sei ein "Hungerleider-Beruf". Also absolvierte Merkatz eine Tischlerlehre, nahm aber später Schauspielunterricht in Zürich, Wien und am Mozarteum Salzburg – finanziert hat er sich die Ausbildung unter anderem als Straßenkehrer oder Kloputzer.
Hunger leiden musste er später wohl nie: Rasch wurde er an große Bühnen engagiert, spielte Shakespeare, Nestroy und Raimund. Gleich bei seinem ersten Engagement im württembergischen Heilbronn lernte er eine Frau kennen, "die ständig ins Theater lief" (so Merkatz). Seit 1956 war er mit ihr verheiratet: "Ohne Martha könnte ich nicht. Sie ist der Rückhalt meiner Psyche", sagte er einmal. Aus der Ehe gingen die beiden Töchter Gitta und Josefine hervor.
Unzählige Bühnenrollen hat Karl Merkatz verkörpert, eines seiner Lieblingsstücke war Samuel Becketts "Warten auf Godot". 1968 gab er sein Debüt bei den Salzburger Festspielen in Hofmannsthals "Der Schwierige", zuletzt war er dort in "König Ottokars Glück und Ende" (2005) sowie im "Jedermann" (Gott der Herr/Ein armer Nachbar) zu sehen. Dietmar Pflegerl, Regisseur und langjähriger Intendant am Stadttheater Klagenfurt, brachte ihn zum Musical: 1993 spielte Merkatz in Kärnten den "Mann von La Mancha", später den Milchmann Tevje in "Anatevka" – die Produktion wechselte 1997 ans "Theater an der Wien". Eigentlich hätte er in Klagenfurt auch seine Wunschrolle, den "King Lear", spielen sollen, aber "dann wurde ich sehr krank, mir ist die Galle zerplatzt und ich bin gerade noch erwischt worden und hatte noch lange danach keine Kraft mehr", erzählte er 2008, nur ein Jahr später gab er seinen Abschied von der Theaterbühne bekannt. Schon vorher war er leiser getreten, was auch an einer Tragödie lag, die seinen 75. Geburtstag überschattet hatte: Merkatz hatte einen Unfall verursacht, bei dem ein 33-jähriger Motorradfahrer ums Leben kam, das Urteil (vier Monate bedingt) nahm er an.
Einen großen Erfolg feierte Merkatz noch einmal 2011 mit dem berührenden Liebesfilm "Anfang 80", der ihm unter anderem den Österreichischen Filmpreis einbrachte. Auch sein Kabarett "Der Blunzenkönig" kam 2015 mit ihm in der Hauptrolle ins Kino: "Ich war in meiner Kindheit beim Sauschlachten dabei und musste das Blut auffangen und rühren und meine Großmutter hat dann die burgenländische Blunzen gemacht", erinnerte er sich.
Das Bodenständige hat sich Merkatz, von 1999 bis 2001 Vorsitzender von "SOS Mitmensch", behalten. Als großer Volksschauspieler wird er in Erinnerung bleiben. Und man wird ihm wiederbegegnen – jedes Jahr zu Silvester, denn ein echter Mundl geht nicht unter.
Reaktionen: "Herz am rechten Fleck"
"Mit Karl Merkatz ist heute ein großer Charakterdarsteller verstorben, dessen Verkörperungen, wie etwa der Bockerer oder Mundl, sich in das kollektive Bewusstsein des Landes eingeprägt haben. Darüber hinaus war Karl Merkatz ein unglaublich emphatischer und engagierter Mensch. Er trug das Herz am rechten Fleck. Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei seiner Familie und seinen FreundInnen", würdigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter den Künstler.
"Als 'Der Bockerer', aber auch als 'Mundl Sackbauer' hat Karl Merkatz Film- & Fernsehgeschichte geschrieben. Der Tod dieses großen Volksschauspielers ist ein großer Verlust für Österreichs Kulturszene. Er ruhe in Frieden", hielt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ebendort fest.
Österreich verliere "einen wahren Volksschauspieler. Niemand hat mit so viel Liebe zu den Menschen das Sympathische und Liebenswerte hinter manchmal ruppigen Oberflächen gefunden und zum Leuchten gebracht. Habe d'Ehre, Karl!", schrieb der für Kunst ressortzuständige Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf Twitter.
"Karl Merkatz stellte für viele den Inbegriff des grantelnden Wieners dar, verkörpert in einer seiner populärsten Rollen, dem 'Mundl Sackbauer'. Über alle Maßen fehlen wird Karl Merkatz als Mensch und Künstler aber vielmehr für das Gegenteil. Sein Herz trug der Volksschauspieler auch abseits des Mundls auf der Zunge, jedoch immer in präziser, überlegter und feinfühliger Weise", meinte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler.
"Mit Karl Merkatz verliert Österreich einen Charakterdarsteller von einzigartigem Format. Er war auf allen wichtigen Bühnen des Landes zu Hause und präsent auf den Bildschirmen der heimischen Wohnzimmer. Sein Mundl wurde zum generationsübergreifenden rot-weiß-roten Populärkult, als Bockerer spielte er sich ins Gewissen der österreichischen Nation", so Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer zum Tod von Karl Merkatz.
"Karl Merkatz hat in seinem vielfältigen Schaffen Film- und Fernsehgeschichte geschrieben und war auch ein großartiger Theaterschauspieler. Er war aber nicht nur ein ganz Großer der Schauspielkunst, sondern vor allem auch ein unglaublich facettenreicher und liebenswürdiger Mensch", sagt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zum Ableben von Karl Merkatz.
"Nach Christiane Hörbiger ist nun leider auch die Schauspiellegende Karl Merkatz von uns gegangen. Merkatz zählt mit Sicherheit zu den bekanntesten Schauspielern in Österreich, keiner zeigte die Volksseele mehr auf als er in den Rollen des 'Bockerer' und 'Mundl'", reagierte der freiheitliche Kultursprecher Thomas Spalt betroffen auf das Ableben des Schauspielers.
"Mit dem Ableben von Karl Merkatz verliert Österreich einen einzigartigen und vielseitigen Künstler und Schauspieler. In beiden seiner Kultrollen verkörperte er den Inbegriff des Wiener Arbeiters, welchen er in Solidarität stets verbunden war. Mein tiefstes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Hinterbliebenen", so SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek.
"Als Fleischhauer Karl Bockerer bleibt Karl Merkatz unvergessen und hat durchaus zum Verständnis österreichischer Geschichte beigetragen. 'Ihr Blatt, Herr Rosenblatt' wurde zu einem gängigen Zitat, um die ambivalente Position der Österreicher und Österreicherinnen zum Nationalsozialismus zu charakterisieren", würdigte die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, Karl Merkatz.
"Karl Merkatz‘ Tod ist ein unersetzlicher Verlust für das heimische Kulturleben", zeigt sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig "bestürzt über das Ableben des großen Volksschauspielers".
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nannte Merkatz "nicht nur einen großartigen Volksschauspieler, sondern auch einen ganz feinsinnigen Menschen".