Die USA sind auch im Bereich der Verdrängungen eine Großmacht. Naomi Hirahara holt in „Clark & Division“ ein besonders düsteres, wenig bekanntes Kapitel zurück ans Tageslicht: Es ist das Schicksal von rund 100.000 in die Staaten ausgewanderten Japanerinnen und Japanern, Familien und Einzelgängern nach dem Angriff auf Pearl Harbour 1941.
Die Einwanderer waren geraume Zeit durchaus willkommen, viele lebten in den Randbereichen von Los Angeles. Nach dem Überraschungsangriff Japans änderte sich die Lage auf fatale Weise. Denn plötzlich standen alle Japaner unter Generalverdacht. Ein schreckliches „Übersiedelungsprojekt“ wurde angeordnet, eine zynische Bezeichnung, denn etliche Familien mussten ihre Wohnsitze verlassen und landeten in Internierungslagern.
Die mehrfach preisgekrönte US-Krimiautorin Naomi Hirahara erzählt die Geschichte einer dieser Familien, die nach Jahren massiver Demütigungen die Chance erhält, in Chicago eine neue Bleibe zu finden. Rose, eine der Töchter, reist einige Wochen vorher in die Millionenstadt, um eine geeignete Wohnung zu finden. Es wird eine Reise in den Tod. In der U-Bahn-Station Clark & Division wird sie von einem Zug überrollt. Die Polizei ermittelt nur kurz, für sie ist die Tragödie rasch geklärt: Selbstmord sei es gewesen.
Aki, die jüngere Schwester von Rose, hält diese Version für ein Hirngespinst, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und stößt rasch auf Ungereimtheiten. „Clark & Divison“ ist – auch – ein Thriller, vor allem aber ist der Roman eine auf spannende Weise verwobene Familiengeschichte mit den historischen Schatten einer Vergangenheit, die sehr rasch von der Bildfläche verschwand.
Buchtipp: Naomi Hirahara. Clark & Division.
ars vivendi, 272 Seiten, 24,90 Euro.
Werner Krause