"Licht ins Dunkel" sammelt Jahr für Jahr mehrere Millionen Euro an Spenden für Menschen mit Behinderung. Heuer feiert die Hilfskampagne ihr 50. Jubiläum. Die inklusive Online-Plattform "andererseits" nimmt das zum Anlass, eine kritische Dokumentation zu veröffentlichen. Darin pochen Menschen mit Behinderung, Experten und Branchenvertreter auf die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention, anstatt per "Licht ins Dunkel" als Bittsteller dargestellt zu werden.
"Das Spenden-Problem. Warum Menschen mit Behinderungen die Abschaffung von 'Licht ins Dunkel' fordern" taufte "andererseits" seine bisher größte, kostenfrei abrufbare Recherche. In der halbstündigen Doku wird nicht verschwiegen, dass "Licht ins Dunkel" jedes Jahr "richtig viel Geld" sammelt, mit denen im Vorjahr mehr als 300 Projekte aus der Sozial- und Behindertenhilfe unterstützt wurden. So kam auch Lisa zum Zug. Die 18-Jährige konnte sich mit Spenden ein Hand-Bike – ein mehrere Tausend Euro teures technisches Behelfsmittel für ihren Rollstuhl – anschaffen, mit dem sie nun besser vorankommt. Dass sie dafür aber auf Spenden angewiesen ist, ist ihr unangenehm. Und damit ist sie nicht alleine.
So bemängelt etwa auch Roswitha Schachinger, Vizepräsidentin des österreichischen Behindertenrats: "Es hat immer diesen Almosencharakter. Wir sind immer die Bittsteller." "Licht ins Dunkel" gehöre abgeschafft, meint sie. Denn Menschen mit Behinderung sollten nicht auf Spenden angewiesen sein, sondern deren Menschenrechte eingehalten werden. Sicherstellen sollte das die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bzw. der "Nationale Aktionsplan Behinderung" – die langfristige Strategie Österreichs zur Umsetzung der Konvention. Doch die Realität zeigt, bei so mancher sozialen Organisation sind Spenden nicht die Ausnahme, sondern stellen die Regel dar.
Österreich habe "veraltete Sichtweise von Menschen mit Behinderungen"
Der ehemalige UN-Prüfer Stig Langvad hatte bereits 2013 kontrolliert, ob die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich eingehalten werden. Sein Fazit damals: "Die Regierung hat immer noch eine sehr veraltete Sichtweise von Menschen mit Behinderungen, die den Eindruck erweckt, dass sie nicht gleichwertig sind." Als Beispiel führte er die Fernsehsendung "Licht ins Dunkel" an. Bis heute habe sich die Sichtweise der Sendung auf Menschen mit Behinderung nicht wesentlich verändert.
Zu Wort kommt auch Ursula Naue. Sie forscht an der Universität Wien zu Behinderung und Inklusion. Als Hauptproblem von "Licht ins Dunkel" erachtet sie, dass Behinderungen als etwas Schlechtes dargestellt werden. Es gehe immer darum, was bei einem Menschen nicht funktioniert, aber nicht darum, wie die Gesellschaft Menschen mit Hindernissen behindert. "Wenn wir über Behinderung in Österreich reden, müssten wir eigentlich nicht Menschen, sondern Barrieren und Hindernisse zeigen."
Mit Spenden in die Bresche springen
In Österreich passiere viel, was laut UN-Konvention verboten ist. Anstatt dass Politikerinnen und Politiker Menschen mit Behinderung etwa mit Gesetzen direkt unterstützen, treten sie bei "Licht ins Dunkel" für eine "gute Sache" auf, moniert Naue. Dabei verlassen sie sich darauf, dass Bevölkerung und Unternehmen – so manches davon muss Jahr für Jahr Ausgleichstaxe zahlen, weil nicht genügend Menschen mit Behinderung angestellt sind – mit Spenden in die Bresche springen.
Pius Strobl, Chef des Humanitarian Broadcasting im ORF, will die "Licht ins Dunkel"-Sendungen nicht neu konzipieren. Die Marke sei sehr bekannt und komme gut an. Zudem habe man sie mit dem Zusatz, "den Menschen sehen" neu aufgeladen, meint er. Mario Thaler, Geschäftsführer von "Licht ins Dunkel", sieht die Situation etwas anders. "Auch 'Licht ins Dunkel' sollte Möglichkeiten bieten, immer wieder kritisch zu hinterfragen, was die Politik für Menschen mit Behinderungen macht und was noch zu tun ist", sagt er gegenüber "andererseits". Man sei gut beraten, über die eigenen Grenzen zu schauen und sich an Best-Practice-Beispielen zu orientieren.
Das Rechercheteam bestand aus Menschen mit und ohne Behinderung. Ziel war es laut "andererseits" mit "Das Spenden-Problem" eine möglichst verständliche und barrierefreie Dokumentation zu schaffen, die viele Menschen mit Behinderung zu Wort kommen lässt. Dieser Film zeige, warum die Perspektive von Menschen mit Behinderung im Journalismus so wichtig sei, so Clara Porák, Geschäftsführerin von "andererseits".