RUTH BECKERMANN
Ihr jüngster Film "Mutzenbacher" ist ein Festival-Renner sowie Jury-Liebling und läuft vereinzelt noch in den Kinos: Am Sonntag wird die Essay- und Dokumentarfilmemacherin Ruth Beckermann 70 Jahre. Die promovierte Kunsthistorikerin aus Wien befasst sich seit jeher, basierend auf ihrer Identität einer österreichischen Jüdin mit historischen Stoffen, mit Verdrängung, Antisemitismus, Fluchtbewegungen oder Literatur – wie etwa im u. a. bei der Diagonale geadelten verfilmten Briefwechsel "Die Geträumten" von Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
Ihre eigene Familiengeschichte hat sie mitsamt antisemitischen Rülpsern auf Wiens Straßen in "Die papierene Brücke" (1987) als Teil einer Trilogie mit jener der mitteleuropäischen Juden verwoben und den Mythos vom Einzelschicksal entindividualisiert. 1977 dokumentiert sie in "Arena besetzt" die Geschehnisse am Wiener Schlachthof, in "Auf amol a Streik" 1978 den dreiwöchigen Streik in einer Reifenfabrik.
Diese Filme sind bei den heimischen Streamingdiensten WatchAut,Flimmit im Geburtstagsspezialprogramm sowie teils auch im Kino-VOD-Klub online verfügbar. In "Jenseits des Krieges" sammelt Beckermann in den 1990ern Zeugenaussagen ehemaliger Soldaten. Und in der vielfach ausgezeichneten Doku "Waldheims Walzer" rollte sie in den Präsidentschaftswahlkampf 1986 mit teils unbekanntem Archivmaterial neu auf und erzählte dabei nicht nur von Fake News oder dem trojanischen Holzpferd, sondern wie so oft auch viel über die Gegenwart.
ULRICH SEIDL
Heute wird Ulrich Seidl 70 und dieses Jahr war von ständigem Auf und Ab geprägt: Im Februar feierte "Rimini", sein bislang zärtlichster Film, seine Uraufführung bei der Berlinale. Kurze Zeit später wurde der Filmemacher, Regisseur und Provokateur mit dem "Große Diagonale"-Spielfilmpreis geehrt.
Cut. Nach einer "Spiegel"-Recherche zu Drehbedingungen am Set von "Sparta" über einen Mann und seine pädophile Neigung wird seine Arbeitsweise debattiert. Die Untersuchungen der Fördereinrichtungen laufen. Seit seinem Spielfilmdebüt "Hundstage" (2001) erregt der Seidl-Kosmos die Gemüter und imponiert der Kritik: mitleidlose Kamera, improvisiertes Spiel, schmerzhaft-famose Tableaus, explizite Sexszenen, triste Milieus, schonungslose Betrachtung von Themen wie Sexarbeit, Ausbeutung, Großwildjagd, fanatischer Katholizismus, Verdrängung, etc. WatchAut und Flimmit zeigen u. a. "Hundstage", den Film im Niemandsland zwischen Autobahnzubringern und Shopping-City, in einer Edition genauso wie die "Paradies"-Trilogie, die entlarvenden Dokus "Safari" oder "Im Keller" oder das Langfilmdebüt "Good News" über die "Kronen Zeitung".
Oder das frühe Glanzstück „Models“ von 1998. Nie, erklärte Seidl, sei das Regieführen für ihn so schwierig gewesen wie bei diesem Film – „Weil Models gewohnt sind, schlecht behandelt zu werden.“ Das Porträt „Ulrich Seidl und die bösen Buben“ von Constantin Wulff erklärt indes die „Methode Seidl“.