Immer ein bisschen geduckt hinter parkenden Autos, ziemlich dunkel und die Räume vollgeräumt mit Exponaten: Dass das Kärntner Landesmuseum schon vor dem Wassereinbruch 2014 und der dadurch erzwungenen Schließung ein bisserl verstaubt war, wird mit der Wiedereröffnung besonders deutlich. Und zwar schon beim Ankommen: Das Haus steht nun mit einem neuen Selbstverständnis auf einem repräsentativen Platz, der durch das Verbannen der Autos aus der Seitengasse entstanden ist. Rund fünfzig neu gepflanzte Bäume und Sträucher sollen zu einer Baumhalle zusammenwachsen, die unter anderem die umliegende Temperatur im Sommer stark absenken soll.
Auch das Haus selbst wirkt völlig verwandelt – offen und hell präsentiert es sich unter dem spektakulären Glasdach, mit offenen Bögen, die den Blick nach oben lenken, breiten Gängen, dem Lapidarium an den Seitenwänden, der Landesbibliothek und einem Kaffeehaus. Dieses neue "Public Forum" ist für alle frei zugänglich, das Foyer soll auch für Veranstaltungen genutzt werden.
Überhaupt soll das Haus künftig sehr offen geführt werden, ganz nach dem Motto: "Das kärnten.museum muss ein Ort der Begegnung, Bildung, Konversation und Konfrontation sein", so Igor Pucker, Kulturabteilungsleiter und Vorsitzender des Planungsteams. Ein Herzstück ist daher die "Center Stage": ein Raum mit 3D-Soundanlage und großen Videoleinwänden, der sich für Konzerte mit zeitgenössischer Musik, Performances oder multimediale Veranstaltungen eignet.
Multimedial präsentiert sich auch die Ausstellung, die im ersten und zweiten Obergeschoß untergebracht ist. Was sofort auffällt: Es ist zwar sehr viel weniger der über zwei Millionen Exponate des Landesmuseums zu sehen, mit den sorgfältig ausgewählten Stücken werden aber Geschichten erzählt, die oft durch Videos oder Projektionen erweitert werden. Im ersten Stock geht es um Phänomene der Natur wie Biodiversität, den Klimawandel oder das Ökosystem Wald (samt "Wood-Wide-Web", einem im Boden versenkten Wurzelsystem). Das historische Glocknerrelief war eines von zwei Exponaten, die nicht bewegt wurden. Allerdings hat es einen neuen, verspiegelten Sockel bekommen, wodurch es jetzt im Raum zu schweben scheint. Dass man nun auch aktuelle Wetterdaten vom Glockner bekommt, verdankt man einer Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Futurelab in Linz. Sogar den Wind kann man hören – der fährt dank moderner Technik alle zehn Minuten in ein Glockenspiel und verrät so, wie stark er gerade bläst.
Eine weitere Zusammenarbeit hat man mit Markus Santner und seinen Studenten an der Hochschule für Bildende Künste Dresden für ein Restaurationsprojekt gestartet: rund 400 Fragmente von Wandmalereien, die einst das Bühnentheater von Virunum zierten, werden restauriert – zu sehen ist im Museum neben den Fragmenten auch ein Video von diesen Arbeiten. Apropos: Das zweite Exponat, das nicht bewegt wurde, ist der Mosaikboden mit einer Darstellung von Dionysos und seinem Gefolge, der im 2. Jahrhundert n. Chr. ein Haus in Virunum schmückte.
Der Boden im Museum ist übrigens auch abseits dieser historischen Kostbarkeit immer wieder einen Blick wert: So sind unter anderem ins Holz Informationen eingefräst und mit Messingfüllungen sichtbar gemacht – etwa die Umrisse von Kärntner Städten oder die Seen, in denen Pfahlbauten entdeckt wurden. Denn das Motto der Architekten Roland Winkler, Klaudia Ruck und Ferdinand Certov, die für den Umbau und die Ausstellungsgestaltung verantwortlich zeichnen, ist: "Der Raum selbst ist die Vitrine." Und so findet man im Raum, in dem die Epoche des Anthropozän beleuchtet wird, auch an den Wänden erhellende Temperaturdaten, die auf die aktuelle Situation verweisen: "Wir wollen damit auch zeigen: Jede Handlung hat Folgen", erläutert Igor Pucker.
Der Brückenschlag zwischen Alt und Neu setzt sich im zweiten Geschoß fort, wo Kärntens Geschichte seit dem Mittelalter erzählt wird – unter anderem anhand der Entwicklung von Klöstern oder der Aufbewahrung von Kleidern und persönlichen Gegenständen von der Truhe bis zum Schrank. Einer der beiden Wandelgänge, die um die Innenhöfe laufen, führt zu zwölf Orten Kärntens: In der Gegenüberstellung eines eher plakativen Objekts mit vertiefenden Texten, die es in Buchform sowie an den Hörstationen gibt, lädt die Geschichte von Städten wie Klagenfurt (dessen Beckenlage wird durch das überdimensionale Becken des Herkules illustriert), Ferlach (ein Gewehr) bis hin zum Paradies (die Handschüttelmaschine des kürzlich verstorbenen Cornelius Kolig) zur "intensiven Konversation und Konfrontation" ein, so Kurator Wolfgang Giegler in der aktuellen "Brücke", die sich ganz dem Landesmuseum widmet.
Auch die Sonderausstellungen werden künftig im Obergeschoß gezeigt: Zur Eröffnung ist ein Teil der von Christine Wetzlinger-Grundnig kuratierten Sonderausstellung "Menschheitsdämmerung" mit großformatigen Arbeiten von Albin Egger-Lienz über Walde bis Anton Kolig zu sehen – der zweite Teil findet sich im Museum Moderner Kunst Kärnten. Die nächste Sonderausstellung im Landesmuseum wird sich 2023 dann dem Thema Biodiversität widmen. Und wer zum Beispiel die wertvollen Musikinstrumente vermisst, die das Haus besitzt: Auch denen wird man künftig in einer Sonderausstellung (wieder-)begegnen.
Museumspädagogik
Für Schulen wurde ein eigenes Schulbuch aufgelegt, das an den Lehrplan angelehnt ist und zahlreiche Möglichkeiten bietet, wie man gemeinsam mit den rund zwanzig Museumspädagogen Inhalte vertiefen kann, im Untergeschoß gibt es dafür auch eigene Räumlichkeiten für Workshops.
Insgesamt ist das kärnten.museum, das durchgehend in beiden Landessprachen sowie Englisch beschriftet ist, ein "Kaleidoskop, das die vielen verschiedenen wissens- und liebenswerten Fakten über Kärnten lebendig werden lässt", sagt Landeshauptmann Peter Kaiser. Und um die Details zu entdecken und in die Tiefe zu gehen, wird es wohl mehrere Besuche brauchen. Dafür könnte man jetzt die Eröffnungswoche gut nützen: Bis inklusive Sonntag ist der Eintritt frei.