Karl Nehammer bedauert: "Es tut mir leid, was die Politik derzeit bietet. Es tut mir leid, dass der Eindruck entsteht, dass wir die Sorgen der Menschen nicht erst nehmen." Der Kanzler sagt "die Politik" und nicht "die Volkspartei". Das ist zugleich Ausweichen vor Konkretisierung und Vereinnahmung der Konkurrenz. Die unausgesprochene Botschaft lautet: Die anderen sind auch nicht besser. Als Eindruck bleibt: Die sind alle so. Die Ernte dieser Saat steht im Eurobarometer, den Umfragen der EU-Kommission: Das Vertrauen der Österreicher in "die" Parteien ist auf 32, jenes in die Regierung auf 39 Prozent gesunken. Vor zwei Jahren waren es 41 und 59 Prozent.
Florian Klenk twittert: "Ich wünsche mir eine Runde der Chefredakteur:innen über Medienkorruption." Der Chefredakteur des "Falter" wurde von Branchenkollegen mehrmals zum "Journalisten des Jahres" gewählt. Sein Wort hat auch als Tweet Gewicht. Und es sei ihm gute Absicht unterstellt. Denn Medienkritik ist ein wichtiges Betriebsmittel für Medienqualität. Doch dadurch, dass er Ross und Reiter nicht nennt, erreicht er den gleichen Effekt wie der Kanzler. Als Eindruck bleibt: Die sind alle so. Das aber ist bei Medien ebenso wenig der Fall wie in der Politik.
Viele Antworten unter Klenks Tweet werden zwar konkreter als sein Urheber, repräsentieren aber insgesamt Unkenntnis. Das beginnt bereits bei der Annahme, die Chefredakteure seien die Ansprechpartner. Ordentlich geführte Medien trennen strikt die journalistische von der Anzeigenabteilung. Ihr Leiter und der Chefredakteur sind die Scharniere für die notwendige interne Kommunikation. Das gilt unabhängig davon, ob – wie in einigen Häusern üblich – der Chefredakteur zudem Geschäftsführer ist. Für diese Personalunion gibt es neben berechtigten Einwürfen auch gute Argumente. Jedenfalls bessere, als "Medienkorruption!" zu rufen, ohne die Ursache dafür zu nennen.
Andeutungen sind ein Gegenteil von Journalismus. Sie machen ihn gemein mit der oft anonymen Vernaderung auf Social Media. Das fördert den Trugschluss, die Medien seien auch nicht besser. Als Eindruck bleibt: Die sind alle so. Auch die Ernte dieser Saat steht im Eurobarometer. Das Vertrauen der Österreicher in "die" Medien ist von 2020 noch 62 auf 2022 nur mehr 43 Prozent gesunken. Das liegt an der fatalen Angleichung ihrer Konkurrenzmethoden an jene der Politik. Kein funktionierender Wirtschaftszweig lässt seinen Wettbewerb so weit gehen, dass er die gesamte Branche gefährdet.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater.