Eines darf man jetzt schon prognostizieren: Das zeitgeschichtliche Drama über die Tragödie von Ramstein am 28. August 1988 mit dem Untertitel "Das durchstoßene Herz" wird bei den Fernsehpreisverleihungen 2023 einer der großen Abräumer sein. Sowohl für die Leistungen vor als auch hinter der Kamera. Bei einer der besten TV-Produktionen des Jahres geht es vor allem um die Aufarbeitung der Umstände und Versäumnisse, die zu den vielen Toten geführt haben sowie die Folgen für die Verletzten, die Hinterbliebenen und die Rettungskräfte. Die seelische Nachsorge bekommt im Drehbuch von Holger Karsten Schmidt einen breiten Raum.
"Wenn eine Generation von heute 'Ramstein' hört, denkt sie wohl an eine Band. Ich wollte mit dem Drehbuch zu diesem Film dazu beitragen, dass das, was da passiert ist, wieder ein wenig zurück ins öffentliche Bewusstsein rückt. Ich wollte den Opfern eine Stimme geben", erzählt Schmidt. Er sei mit den Teilnehmern der Nachsorgegruppe "ins Gespräch gekommen und habe so aus erster Hand unglaublich viele persönliche Details von ihnen erfahren". Der Film zeigt auf, wie entscheidend psychologische Betreuung und Stärkung für Opfer und Helfer sein kann.
Rückblick: Mehr als 350 Menschen wurden bei der größten Flugtagkatastrophe in Deutschland am 28. August 1988 auf dem Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz verletzt, 70 getötet. Der "Tag der offenen Tür" der US Air Force war als Volksfest gedacht gewesen. Doch bei den Vorführungen stießen Flugzeuge einer italienischen Kunstflugstaffel bei der Figur "Durchstoßenes Herz" in rund 40 Metern Höhe zusammen. Eine Maschine stürzte brennend in die Menschenmenge.
"Holger Karsten Schmidt hat das Vertrauen der Betroffenen gesucht, gefunden – und ein außergewöhnliches Drehbuch über die Langzeitfolgen nach einer Katastrophe dieses Ausmaßes geschrieben", begründet Produzent Manfred Hattendorf sein Engagement. Regisseur Kai Wessel ergänzt: "'Ramstein' darf kein sensationslüsterner Film sein. Das Wissen, dass unsere Figuren reale Vorbilder haben, hat unsere ganze Arbeit geprägt. Die Umsetzung in konkrete Bilder fiel dann oftmals schwer. Wie viel können wir den Zuschauern zumuten?"
Max Hubacher verkörpert einen Familienvater, der Frau und Kinder verliert: "Roland Fuchs, der Mensch, an den meine Rolle angelehnt ist, hat mich bei meiner Figurenfindung sehr unterstützt, wofür ich unglaublich dankbar bin, wenn man bedenkt, wie schmerzhaft diese Katastrophe für ihn gewesen sein muss."
Hubacher gesteht: "Am meisten beeindruckt haben mich dabei der starke Überlebenswille und das Weitermachen trotz des großen Verlusts, den die Betroffenen erdulden mussten. Das Vorher und das Nachher einer Person, zwei komplett unterschiedliche Menschen, das war für mich der spannendste Aspekt meiner Figur." Beeindrucken ist auch das Spiel von Jan Krauter, der als erster Notarzt auf dem Flugfeld eintrifft.
Heute erinnert unweit des Stützpunkts eine Gedenkstätte an das Unglück; der Stein mit den Namen der Opfer ist am Ende des Films zu sehen. Längst steht Ramstein aber auch für Geopolitik: Die Airbase ist der vermutlich wichtigste US-Stützpunkt in Europa mit rund 15.000 Militärs und Zivilisten. Im Ukraine-Krieg kommt dem Areal zentrale Bedeutung für strategische Operationen zu.
"Ramstein": ARD, 26. Oktober, 20.15 Uhr. Im Anschluss läuft eine Dokumentation.