Das Kino ist nicht tot. Zumindest nicht das Viennale-Kino. Das größte Filmfestival des Landes feiert das von Cannes bis Venedig ausgezeichnete Filmschaffen, eigensinniges Austro-Kino und meisterliche Retrospektiven in ausverkauften Sälen. Nebst James Grays „Armageddon Time“ oder Laura Poitras’ „All the Beauty and the Bloodshed“ holte Direktorin Eva Sangiorgi auch Oscarfavorit „Women Talking“ von Sarah Polley nach Wien.
Die Kanadierin hat den beklemmenden Roman von Miriam Toews mit einem hochkarätigen Ensemble (Rooney Mara, Claire Foy, Jessie Buckley, Frances McDormand) für die Leinwand adaptiert. Nach wahrer Story wird darin von acht Frauen in einer mennonitischen Gemeinde in Bolivien erzählt. Ihre Männer betäuben und vergewaltigen sie, denunzieren diese Akte als „wilde weibliche Fantasien“. Zwei Tage haben die Frauen Zeit für eine Entscheidung: den Männern verzeihen und bleiben? Oder gehen? In einer Scheune debattieren sie generationenübergreifend ihren Wert, ihre Unterordnung, ihre Körper, ihre Freiheit – und wie diese aussehen könnte. Eloquent, klug, mit feinem Humor versehen, verhandelt Polley mit famosen Schauspielerinnen Machtmissbrauch und Emanzipation, aber universell auch das Frausein in einer patriarchalen Welt. Kinostart: 26. Jänner 2023.
Großes Theater im Kino: Reiner Holzemer porträtiert mit der großspurig betitelten Doku „Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ den deutschen Film- und Theaterstar, der eben auf dem Karrieresprung in die USA ist. Das Publikum wird Zeuge der „Jedermann“-Proben mitsamt Auszucker, beim Zweifeln in Interviews, bei Lobeshymnen von Schauspielstars wie Isabelle Huppert oder Juliette Binoche. Packendes, nuanciertes Porträt über Lars Eidinger den Schauspieler, der betont, in der Kunst zu Hause zu sein. In Wien stellte er die Doku persönlich vor – nach einer Nacht am DJ-Pult. Kinostart: März 2023.
Sperriger ist Amina Handkes surrealer Kunstfilm „Mein Satz“. Ihr Vater Peter Handke sagte über „Kasper“, er hätte das Stück „Sprechfolterung“ nennen können. Ihre Mutter Libgart Schwarz spricht die Sätze und steht im Fokus der Inszenierung. 85 Minuten Sprachkritik in künstlichem Setting; trockene Leinwand-Fanlektüre. Das gesamte Programm zur heurigen Viennale finden Sie hier.