Boris Johnson war verhältnismäßig kurz britischer Premierminister. Nach nur drei Jahren war sein schlagzeilenträchtiges Gastspiel in der Downing Street im September schon wieder vorbei – und schon kommt eine Serie über seine Anfangszeit an der Spitze heraus: "This England" heißt sie und ist derzeit bei Sky abrufbar. Regie führte Michael Winterbottom, Hauptdarsteller ist niemand geringerer als Britanniens Shakespeare-Experte Nummer 1: Kenneth Branagh.

Und dem gelingt eine fast originalgetreue Kopie des umstrittenen Brexit-Premiers: respektloses Nuscheln, bucklige Haltung und zerzaustes Haupthaar inklusive. Allein für diesen Anblick lohnt sich die sechsteilige Miniserie, die zu Beginn vor allem zeigt, wie die Coronapandemie Großbritannien mehr und mehr in den Würgegriff nimmt und Johnson mit allem Möglichen beschäftigt ist – nur nicht mit der Seuche. Während die Nachrichten zuerst aus China, dann aus Italien und schließlich auch aus Großbritannien Expertenteams in London in Alarmbereitschaft versetzen, ist der neue Premierminister noch viel zu sehr damit ausgelastet, sich selbst und den Brexit zu feiern.

Außerdem muss er auch noch versuchen, seine zahlreichen Kinder darüber zu informieren, dass das nächste Johnson-Baby auf dem Weg ist – bevor sie aus der Zeitung erfahren, dass seine (damals noch) Verlobte Carrie schwanger ist. Und dann ist da ja auch noch sein Buch über William Shakespeare (hier schließt sich ein Kreis zu Branagh), das er unbedingt abschließen will. All das – so interpretiert es zumindest die Serie – hat für Johnson Priorität vor dem Kampf gegen die tödliche Seuche, die allein in Großbritannien mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet hat. Winterbottom zeigt eine Regierung, die den Blick so sehr auf sich selbst richtet, dass sie viel zu spät merkt, was wirklich wichtig ist.

Das Problem von "This England" ist allerdings, dass die Serie von der Geschichte längst eingeholt und sogar überholt worden ist. Die Skandale um Johnsons Partys im Lockdown, sein Sturz – und nicht zuletzt der Tod von Queen Elizabeth II. sind alles Ereignisse, die fehlen und der Serie über den Machtmenschen Johnson wohl mehr Bedeutung, Tiefe und Dramatik gegeben hätten. Die britische Zeitung "Guardian" schreibt, "This England" sei "gleichermaßen zu früh und völlig überholt".