An Glückwünschen aus aller Welt wird es „Auntie“ (der Tante) nicht fehlen, wenn sie heute ihren 100er feiert. In diesen 100 Jahren hat sich die BBC – die British Broadcasting Corporation – einen Namen verschafft, der ihren Fans ein fester Begriff ist. Der öffentlich-rechtliche Sender des Vereinigten Königreichs, der größte seiner Art, gilt in vielen Ländern bis heute als das unerreichte Vorbild, als der verlässlichste Nachrichtengeber von allen. Allein der „World Service“ in 40 Sprachen erreicht jede Woche Hunderte Millionen Menschen.
In der Heimat der BBC selbst wüsste man nicht, wie man ohne sie auskommen sollte – ohne den vertrauten Schlag des Big Ben, ohne die zu einer Kunstform gewordenen politischen Interviews, ohne eigenproduzierte Filme und Dramen aller Art. Ohne all die Kultur-, Sport- und Unterhaltungssendungen, zu denen die Nation auch heute noch einträchtig Woche für Woche zusammen rückt.
Nicht alle Briten würden sich natürlich in die Gratulationsrunde einreihen. Manchen ist die BBC zu links oder zu rechts, oder in ihrem Bemühen um Ausgewogenheit einfach zu übervorsichtig. Kommerziellen Rivalen ist sie zu einflussreich. Jüngere Leute sind es gewöhnt, zwischen Netflix und Amazon herumzuhüpfen.
Aber ob man an David Attenboroughs atemberaubende Natur-Programme denkt oder an „Strictly Come Dancing“, den gegenwärtig wieder ausgestrahlten Tanz-Jux mit Prominenten: Die BBC bietet Dinge, die man in dieser Form anderswo nicht findet. Und bei den großen „nationalen Anlässen“, wie jüngst den Trauerfeiern für Elizabeth II., ginge es eh nicht ohne die BBC, ohne ihren eingespielten Apparat und ohne ihr Organisationsvermögen.
Vor 100 Jahren war davon natürlich noch keine Rede. Ganz und gar unbeholfen nahm sich die erste BBC-Rundfunksendung von 1922 aus. Vom achten Stockwerk des Marconi-Gebäudes meldete sich einer der Gründer, Arthur Burrows, mit den Worten: „Hullo hullo! 2LO calling! 2LO calling! This is the British Broadcasting Company!“.
2LO war der Name der Lizenz, mit der das Generalpostamt in London der BBC ihre Übertragung erlaubte. „2LO. Stand by for one minute please,“ bleiben Sie die nächste Minute bitte dran. Darauf folgten Kurznachrichten der amtlich genehmigten Agentur Reuters und ein knapper Schifffahrtsbericht zur Wetterlage. Das Ganze verlas Burrows erst schneller und dann noch einmal ganz langsam – damit sich die Hörer in aller Ruhe Notizen machen konnten.
Gründung am 18. Oktober 1922
Gegründet worden war die BBC als British Broadcasting Company am 18. Oktober jenes Jahres, und zwar von sechs Fabrikanten von Rundfunkgeräten, die sich gemeinsam um die Lizenz bemühten. Zu den Pionieren gehörten außer Burrows, einem früheren Geschäftsführer der „Marconi’s Wireless Telegraph Company“, auch der Schotte John Reith, den man zum Generaldirektor des Unternehmens ernannte.
1927 wurde die Company nicht zuletzt auf Drängen Reiths hin in eine Corporation, in eine öffentlich-rechtliche Anstalt, umgewandelt. Seit damals war die BBC die British Broadcasting Corporation – finanziert über Gebühren, die Besitzer von Rundfunkgeräten aufzubringen hatten.
Hindernisse gab es jede Menge. Anfangs durfte die BBC erst nach 18 Uhr auf Sendung gehen – wenn sicher war, dass sich jeder potenzielle Zeitungsleser sein Blatt an diesem Tag gekauft hatte. Erst als beim Generalstreik 1926 auch die Verlagshäuser bestreikt wurden, und es keine Zeitungen mehr gab, wurde die BBC für die Nachrichtengebung unerlässlich.
Viele Facetten hat die Geschichte der BBC, studiert man ihre Annalen. Von recht paternalistischen Haltungen, von einem gezwungen vornehmen Ton arbeitete man sich über die Jahrzehnte zu sehr viel demokratischeren Formen der Kommunikation vor. Zu dieser Geschichte gehören denkwürdige Radio-Ansprachen gekrönter Häupter, Kriegsappelle, erste Sportkommentare, die Umwandlung des „Empire Service“ in den „World Service“. Zu Beginn der „neuen elisabethanischen Ära“ tauchten dann die ersten kommerziellen Konkurrenten in Form der durch Anzeigen finanzierten Anstalt ITV auf. In den 80ern und 90ern, nach dem Einzug des Satelliten- und Kabelfernsehens, präsentierte sich die BBC mit „rollenden Nachrichtensendungen“, ihrem Parlamentskanal, Kinder-Kanälen, Online-Angeboten und vielen anderen Innovationen, als elektronischer Riese im öffentlichen Dienst.
Zur Milleniumswende wurde erstmals deutlich, dass die Anstalt aus Kostengründen gezwungen sein würde abzuspecken, ihr Fernsehzentrum in West-London zu verkaufen und ihren Ehrgeiz generell herunterzuschrauben. Erste Sparprogramme wurden aufgestellt. Wirklich einschneidend wurden die Kürzungen von 2010 an, als David Camerons Konservative in die Regierung kamen und die Rundfunkgebühren auf sechs Jahre hin einfroren. Seither hat die BBC 30 Prozent ihrer Einnahmen und zahllose Mitarbeiter verloren. Weitere tiefe Einschnitte sind Anfang dieses Jahres bekannt gegeben worden. Jetzt gehe es „ans Eingemachte“, klagt man beim Sender sichtlich bedrückt.
Ungewisse Zukunft
Ob die Anstalt ihre angestammte Qualität wahren und sich gegenüber den Streaming-Giganten halten kann, weiß derzeit niemand zu sagen. Unermüdlich prügeln Zeitungen wie Rupert Murdochs „Times“ auf die BBC ein und hoffen, sie zu einem Abonnements-Sender degradieren zu können. Manche Tory-Hardliner hätten auch nichts dagegen, wenn die BBC ganz aufhörte, als öffentlich-rechtliches Medium zu existieren. Dabei ist natürlich auch der hundertjährigen „Auntie“ bewusst, dass technologische Umbrüche neue Lösungen erfordern. Ob die Rundfunkgebühr zeitgemäß ist und womit sie ersetzt werden könnte, darüber wird auch bei der BBC diskutiert.
Dass die Regierung aber immer weniger Interesse zeigt, der Anstalt eine Zukunft als die international bewunderte Institution zu sichern, die sie bis heute ist, irritiert alle, die stolz auf den Ruf der BBC und auf ihr Angebot sind und sein wollen. Leicht wird es der British Broadcasting Corporation mithin nicht fallen, die in sie gesetzten Erwartungen weiter zu erfüllen. Ihr runder Geburtstag markiert, bei allen schönen Worten, eine Ankunft auf ganz ungewissem Terrain.