"Man kann sich seiner Zeit nicht sicher sein", meinte Literaturhaus-Chef Klaus Kastberger zur Eröffnung des Literaturfestivals "Out of Joint", einer Kooperation mit dem steirischen herbst, am Dienstag – und sollte leider auch bezüglich der Veranstaltung selbst recht behalten. Schriftstellerin Maja Haderlap, die das viertägige Festival mit einer Zukunftsrede hätte eröffnen sollen, war erkrankt. An ihrer Stelle las Schauspielerin Ninja Reichert Haderlaps Text, der durch seine geistreiche Emotionalität tief unter die Haut ging und zum Nachdenken anregte oder besser noch: zum Handeln.

Das Motto des Festivals lautet "Wer wir waren", angelehnt an den letzten Text des 2016 verstorbenen Autors und Moderators Roger Willemsen. Aus der Zukunft wird ein Blick in die Gegenwart geworfen. Eine Gegenwart der Krisen, Kriege, Unsicherheiten. All diese Schrecknisse und unsere Ohnmacht, damit umzugehen, hat Haderlap in einen ruhigen, aber mit Fortdauer des Textes immer mitreißenderen Wortfluss gebettet. "Wir stehen mitten im Geschehen und wissen oft nicht, was stattfindet", so Haderlap.

Schauspielerin Ninja Reichert las den Text von Haderlap
Schauspielerin Ninja Reichert las den Text von Haderlap © KLZ/Benjamin Gasser

Ninja Reichert trug den Text voll nuancierter Eindringlichkeit vor. Haderlap schreibt von zahlreichen Kipppunkten, gar einem Riss nicht nur durch die Gesellschaft, sondern durch die Zeit. "Wir werden von einer Fülle von Nachrichten überflutet und verlieren trotzdem die Orientierung." Unser größtes Problem bzw. Versäumnis: "Wir sind erstarrt, müssten aber handeln. Jetzt." Die Rede schließt mit einem Augustinus-Zitat: "Nicht die Zeiten sind böse, sondern unser Tun. Und wir sind die Zeit."

Die deutsche Literaturkritikerin und Bachmannpreis-Jurorin Insa Wilke und Hausherr Klaus Kastberger diskutierten im Anschluss mit dem Publikum über Haderlaps Zukunftsrede. Und darüber waren sich alle einig: Wir erleben gerade einen epochalen Umbruch, aber das ist noch immer nicht in unser Bewusstsein gedrungen.

Info: Donnerstag, 13. Oktober, liest Esther Kinsky aus "Rombo" (18 Uhr), ab 20 Uhr AutorInnen-Lesung aus Gerhard Roths letztem Roman "Die Imker". literaturhaus-graz.at