Ganz oder gar nicht war wohl das Motto für Leni Lauritschs Debütfilm. Sie hat sich an den Genrefilm gewagt, eine Seltenheit im österreichischen Filmschaffen. Das Ergebnis: Ein Science-Fiction Weltraumdrama, mit internationalem Cast und futuristischen Tech, das sich als visuelle Augenweide auf der Kinoleinwand entpuppt.
Dennoch bleibt „Rubikon“ im Kern ein Kammerspiel, in der ihr Drehbuch, das sie gemeinsam mit Jessica Lind verfasst hat, sich mit moralischen Konflikten auseinandersetzt. Sollen Soldatin Hannah (Julia Franz Richter), Öko-Aktivist Gavin (George Blagden) und Biologe Dimitri Krylow (Mark Ivanir) nach einer tödlichen Umweltkatastrophe die Raumstation Rubikon verlassen und Überlebende suchen, oder sich selbst schützen und bleiben. Welche Verpflichtung haben sie als Mensch anderen gegenüber, und welche gegenüber sich selbst?
Rubikon ist Ihr Debütfilm und Sie gehen gleich ins Weltall. Das ist in der filmischen Umsetzung nicht so ohne. Was hat Sie dazu inspiriert?
LENI LAURITSCH: Als Erstlingsregisseur weißt du nie ob dein erster Film vielleicht auch dein letzter Film sein wird. Da habe ich mir gedacht, ok, wenn das vielleicht auch mein letzter Film ist, mache ich einfach genau das, worauf ich wirklich Lust habe. Ich bin, seit ich ein Kind bin, Sci-Fi Fan, habe viel dazu gelesen, und auch mit meinem Vater gemeinsam geschaut. Ich habe auch eine Zeit selbst VFX gemacht. Da habe ich gewusst, dass wir das hinkriegen, wenn wir es total smart machen. Wir haben einfach eine Art Kammerspiel draus gemacht.
Sie haben mit Ihrem Kurzfilm "Rote Flecken" schon mal das Thema moralische Ambiguität aufgegriffen. Was fasziniert Sie an dieser Thematik?
Was mich an Film interessiert ist diese Reibefläche, wo es keine klaren Antworten gibt. Wenn man merkt, wo unsere Unterschiedlichkeiten und unsere Gemeinsamkeiten sind. Moral ist ein wahnsinnig ausschlachtbares Thema. Deswegen ist es spannend, genau in diese Grauzonen hineinzuschauen.
Die Figur des Dimitri sagt auch es sei keine Schande, wenn man sich um sich selbst kümmert. Da ist ja auch ein gewisser Kulturpessimismus.
Ich glaube, Sci Fi ist hauptsächlich dystopisch und Utopien sind die Ausnahmen. Aber mir war eigentlich wichtig, einen Generation Clash zu machen. Ich habe Vertreter der Boomer, Gen-Z und meiner Generation, Generation Y. Am Schluss kommt die starke Stimme der Gen-Z, die wieder anfängt, sich verantwortlich zu fühlen.
Ihre Hauptfigur ist die Soldatin Hannah. Sie brechen hier mit Erwartungen, weil sie nie den typischen Handlungsbogen einer filmischen Soldatenfigur durchläuft.
Es ist aber gar nicht so leicht eine Hauptfigur als die zweifelnde, die am wenigsten aktivste Figur zu entwickeln. Ich mag es nicht, wenn Hauptfiguren total klassisch agieren, und liebe es, wenn man mit diesen Erwartungen bricht. Dieses Heldentum, das man immer in diesen Filmen hat, das hat uns so angekotzt. Wir wollten genau das nicht. Wir wollten, wenn überhaupt, das Gegenteil zeigen.
Eine weitere Figur ist der Klimaaktivist Gavin, mit dem Sie eigentlich nicht sehr freundlich umgehen. Er der erste, der sich geistig aufgibt.
Den Blickwinkel hatte ich bis jetzt gar nicht. Ich habe selbst sehr darunter gelitten, wo unsere Welt gerade steht. Dokumentarfilme, die ich geschaut habe, wo ich danach wirklich eine Woche lang tief depressiv war und geheult habe. Er ist ein Charakter, der mir sehr ähnlich ist. Diese große Sinnlosigkeit habe ich auch gespürt und wollte sie wahrscheinlich da hineinbringen.
Die Welt im Film ist nur mehr eine Aktiengesellschaft. Wäre es dieser Erde in Hinblick auf unsere eigene Zukunft besser gegangen, wenn Regierungen an der Macht gewesen wären?
Schwer zu sagen. Ich merke, dass wir einen Hang zur Privatisierung haben. In gewisser Weise finde ich, dass wir bereits in der Welt leben, in der der Film spielt. Nur wird es halt nicht so offen kommuniziert.
Rubikon ist einer der wenigen Science-Fiction Filme, die in Österreich gedreht wurden. Ist das ein Genre, wo man sich hier mehr trauen könnte?
Was wir gemacht haben ist, ohne arrogant klingen zu wollen, Pionierarbeit. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass man das wieder auf diese Art und Weise machen sollte. Wir alle haben viel mehr Arbeit hineingesteckt, als das Budget an Entlohnung hergegeben hätte. Das heißt, für so ein Projekt müsste man eigentlich noch mal doppelt so viel an Geld geben und ich weiß nicht, ob das in Österreich passieren wird. Ich glaube aber auch, dass sich jetzt viel mehr Leute Genre trauen werden.
Nach dem Erstlingswerk sind in Österreich die Erwartungen immer sehr hoch an den zweiten Film. Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Ich möchte da jetzt entspannt bleiben und mich nicht unter Druck setzen lassen. Wenn ich wieder was mache, dann nicht, weil es für meine Karriere sein soll, sondern für das Thema und weil ich etwas zu erzählen habe.
Susanne Gottlieb