Das Filmfestival San Sebastian bleibt dabei: Ulrich Seidls "Sparta" soll trotz massiver Vorwürfe durch Recherchen des "Spiegel" vom 16. bis 24. September im Wettbewerb laufen. "Nur ein Gerichtsbeschluss könnte dazu führen, dass wir eine geplante Vorführung aussetzen." Die Weltpremiere des Films auf dem Festival in Toronto ist schon für diesen Freitag angesetzt. Ob sie stattfindet, Seidl sich vor Ort der Presse stellt, ist unklar.
Der "Spiegel"-Bericht benennt klar, was neun Set-Mitarbeitende aus Österreich, Deutschland und Rumänien sowie Eltern mitwirkender Kinder dem Regisseur und Produzenten vorwerfen: Beim Dreh in Rumänien 2019 sollen Minderjährige "ausgenutzt", ihre Eltern getäuscht und ihnen Set-Besuche verweigert worden sein. Auch von Übergriffen und fehlenden Psychologen ist die Rede: Kinder sollen angeschrien und zu Handlungen gedrängt worden sein. Seidl wies via Statement alle Vorwürfe zurück. "Nie haben wir beim Dreh die Grenzen des ethisch und moralisch Gebotenen überschritten." Er behält sich rechtliche Schritte vor, gibt keine Interviews, beharrt darauf, die Eltern von der "Ambivalenz" der Hauptfigur unterrichtet zu haben, Journalist Bartholomäus Laffert widerspricht. Laut TV-Sender "Antena 1" und laut "Die Presse" soll die rumänische Polizei nach dem "Spiegel"-Bericht erneut ermitteln. Erste Ermittlungen wurden im Februar 2022 eingestellt.
Der Film thematisiert ein Tabu. Er erzählt von einem Mann, der seine pädophile Neigung erkennt und gegen das unterdrückte Begehren ankämpft. Eines vorweg: In "Sparta" sind keine Kinder in explizit pädophilen Sexszenen zu sehen, zu Berührungen, etwa beim Judo oder Duschen, kommt es sehr wohl. "Einen Intim-Coach gab es nicht, da keine Szenen im Zusammenhang mit Sexualität mit Kindern gedreht wurden", lässt Seidl der Kleinen Zeitung ausrichten. Tabuthemen scheute der 69-Jährige noch nie. Egal, ob Sexarbeit oder religiöser Fanatismus: In formal strengen Tableaus bleibt die Kamera drauf: auf dem Abgründigen, Verstörenden.
Meinung
Dafür wurde er auf A-Festivals wie Cannes oder Venedig gefeiert. Seidl lotet gerne Grenzen aus: jene des Publikums genauso wie jene der Darstellenden. Alles für größtmögliche Authentizität, das provoziert seit jeher. "Die Essenz meines Filmemachens sind improvisierte Szenen", sagte Seidl im Vorjahr zur Kleinen Zeitung. Das müssten seine Protagonistinnen beherrschen. Laien und Profis, die mit ihm arbeiteten, betonen, wie intensiv Seidl sie vorbereite, Vertrauen aufbaue. Bei den Minderjährigen fehlte dieser Konsens mit den Eltern.
Die Fördergeber ORF, ÖFI, Filmfonds Wien kündigten die Aufklärung der Sache an. Filmförderer Roland Teichmann (ÖFI) sagte in der ZiB 2: "Wir werden diesen Dingen den Kampf ansagen." Mögliche Folgen? Im schlimmsten Fall die komplette Rückzahlung der Subventionen (u. a. 1,3 Millionen Euro vom ÖFI für "Sparta" und "Rimini").