Nicht nur im Kino hält der Marvel-Trend an. Comicheldinnen und -helden dominieren auch den Serienbereich. Nachdem "Ms. Marvel" das eintönige Universum um die erste muslimische Protagonistin erweiterte, hält nun eine weitere Superheldin Einzug in Disneys Streaming-Kosmos.
Eigentlich hat Jennifer Walters (Tatiana Maslany, "Orphan Black") wenig mit dem gewohnten Superheldentum gemein. Bei Tag ist sie als Anwältin im Einsatz, abends versucht sie sich durch das triste Dating-Leben einer Mittdreißigerin zu navigieren. Ihre einzige Verbindung zu den Avengers: ihr berühmter Cousin Dr. Bruce Banner (Mark Ruffalo), besser bekannt als der Hulk.
Im Zuge eines waghalsigen Experiments wurde der Kernphysiker Jahre zuvor gefährlichen Gamma-Strahlen ausgesetzt und mutierte zum superstarken, grünen Monster. Die Gestalt nimmt er nur in Stress-Situationen an. Über die Jahre hat er gelernt, sein wutgetriebenes Alter Ego unter Kontrolle zu halten. Als Banner mit seiner Cousine in einen Unfall verwickelt wird, rettet er ihr mit einer radioaktiven Bluttransfusion das Leben. Nun verwandelt sich auch die eher zierliche Juristin in Extremsituationen zur grünen Gigantin.
Der große Unterschied: Jennifer ist auch in Hulk-Form bei vollem Bewusstsein. Die neue Gestalt bringt neue Berufsaussichten mit sich, nämlich eine auf Superheldenrecht spezialisierte Kanzlei. Im Gegensatz zu anderen Marvel-Produkten hat man sich hier nicht ganz so stringent den etablierten Erzähl- und Inszenierungsmechanismen unterworfen.
"She-Hulk" gleicht in seiner Aufmachung vielmehr einer Großstadt-Sitcom als dem gewohnten Superhelden-Bombast. Die freche Attitüde der überzeugend verkörperten Hauptfigur ist ein Segen für das sonst so prüde Marvel-Universum. In bester Sitcom-Manier durchbricht die Protagonistin immer wieder die vierte Wand und spricht direkt zum Publikum. So bleiben einem nicht einmal Meta-Witzchen über die Umbesetzung der Hulk-Figur und toxische Männlichkeit erspart. Der übergeordnete Erzählkosmos bleibt das größte Problem. Gastauftritte von etablierten Figuren nehmen teilweise überhand. Wenn sich die Serie dem weiblichen Blick der schlagfertigen Titelfigur zuwendet, weiß "She-Hulk" aber gut zu unterhalten. Und setzt neue Akzente im Marvel-Universum.
Bewertung: ***
Christian Pogatetz