Gegen den Mann, der den Schriftsteller angegriffen hatte, wird laut Polizei wegen "versuchten Mordes zweiten Grades" und "Körperverletzung zweiten Grades" ermittelt. Er erklärte sich vor einem New Yorker Gericht für nicht schuldig. Zu einem Tatmotiv gab es weiter keine Angaben. Mord zweiten Grades ist ein eigenständiger Tatbestand im US-Rechtssystem zum Tod eines Menschen.
Auf Fotos war der Mann aus dem US-Staat New Jersey, dessen Familie aus dem Libanon stammt, mit weißer Mund-Nasen-Maske in gestreifter Häftlingskleidung und orangenen Schuhen zu sehen. Er bleibe ohne Kaution weiter in Gewahrsam, schrieb die "New York Times". Die nächste Anhörung soll demnach am 19. August um 15.00 Uhr (Ortszeit) stattfinden.
Vor Gericht erklärten die Staatsanwälte laut US-Medien, der Angriff auf den Autor sei vorsätzlich und gezielt gewesen. Der Mann sei mit einem Bus zu dem Institut in Chautauqua im ländlichen Westen des US-Staates New York gefahren und habe sich dort ein Ticket gekauft, um am Freitagvormittag Rushdies Vortrag hören zu können. Der 75-jährige Autor hatte dort bei einer Veranstaltung über verfolgte Künstler sprechen wollen und wenige Minuten vor dem Angriff die Bühne betreten.
Am frühen Sonntag gab es zunächst keine neuen Informationen über Rushdies Gesundheitszustand. Laut US-Medien wurde er weiter in einem Krankenhaus in Erie im angrenzenden US-Staat Pennsylvania behandelt. Sein Schriftstellerkollege Aatish Taseer hatte auf Twitter geschrieben, Rushdie mache schon Witze. Der Tweet wurde aber offenbar später wieder gelöscht.
Rushdie war nach dem Angriff per Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht, operiert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden, wie sein Agent Wylie am Freitagabend der "New York Times" mitgeteilt hatte. Er könne nicht sprechen und werde wahrscheinlich ein Auge verlieren. Außerdem seien Nervenstränge in seinem Arm durchtrennt und seine Leber beschädigt worden.
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) zeigte sich am Sonntag erleichtert über den verbesserten Gesundheitszustand des Autors. "Gleichzeitig ist die Gewissheit schmerzvoll, dass er davon sein Leben lang gesundheitlich beeinträchtigt sein wird", hieß es in einer Aussendung. "Meine Begegnung mit Rushdie bleibt unvergessen, er ist eine faszinierende und fesselnde Person. Salman Rushdie hat aufgezeigt, dass ein Mensch einen Unterschied machen kann", so Mayer. Es sei unsere Pflicht, die Freiheit der Kunst wie der Künstler und Künstlerinnen immer wieder aufs Neue zu verteidigen. "Unsere hart erkämpften demokratischen Werte dürfen niemals zu einer Selbstverständlichkeit werden."
Rushdie wird seit Jahrzehnten von religiösen Fanatikern verfolgt. Wegen seines Werks "Die satanischen Verse" aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini zur Tötung des Autors aufgefordert.
Zahlreiche Politiker verurteilten die Gewalttat gegen Rushdie und betonten die Bedeutung von Grundrechten und Meinungsfreiheit. US-Präsident Joe Biden lobte, Rushdie habe sich nicht einschüchtern lassen und stehe für "wesentliche, universelle Werte" wie Wahrheit, Mut und Widerstandsfähigkeit. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb bei Twitter: "Eine internationale Ablehnung solcher krimineller Handlungen, die Grundrechte und Freiheiten verletzen, ist der einzige Weg zu einer besseren und friedlicheren Welt."
Der israelische Regierungschef Yair Lapid sah die Schuld an dem Angriff auch bei der Führung des Iran. Der Vorfall sei "das Resultat von Jahrzehnten der Aufwiegelung, angeführt durch das extremistische Regime in Teheran", schrieb Lapid am Samstagabend bei Twitter.